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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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hinke immer, also nicht nur im Moment immer, sondern wirklich immer. Mein linkes Bein ist ganze fünfzehn Zentimeter kürzer als das andere. Man hat mir bei einer Leisten-OP aus Versehen eine Vene durchtrennt, und das Bein ist dann nicht mehr so gewachsen, wie es wachsen sollte.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    »Ach, mein Gott, damals war ich sechs. Mit den Jahren gewöhnt man sich dran. Und welcher Mann kann schon von sich behaupten, dass er rechts Schuhgröße vierzig und links Schuhgröße sechsundvierzig hat?« Er lächelt und blickt mir offen ins Gesicht. »Ich heiße übrigens Christian Wiedmann. Vielleicht interessiert es Sie ja, mit wessen Beifahrertür Sie da so intensiv Bekanntschaft geschlossen haben.«
    Er streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie und sage »Kronbach, Jessica Kronbach«.
    »Freut mich sehr, Frau Kronbach. Wo darf ich Sie denn hinfahren?«
    »Ich wohne in der Hardtstraße in Klettenberg.«
    »Ach, die Hardtstraße. Da hat mal eine Freundin von mir gewohnt. Sehr nett, also die Straße, aber die Freundin auch.« Er schmunzelt über sich selbst. »Und schnallen Sie sich bitte an, ich möchte nicht, dass Sie auch noch meine Windschutzscheibe besser kennenlernen. Auch wenn sich mein Auto ganz bestimmt darüber freuen würde.«
    Diesmal muss auch ich lachen. Wie gut das tut, nachdem ich so schlecht behandelt worden bin, dass jemand nett zu mir ist. Ich schnalle mich an, Christian Wiedmann legt den ersten Gang ein, und der Wagen setzt sich in Bewegung, ohne dass ich ein Motorengeräusch höre.
    »Sagen Sie mal?«, frage ich ihn, »ist das ein Auto oder ein Ufo? Ich kann den Motor nicht hören.«
    Herr Wiedmann lacht schon wieder. Ich muss ihn unbedingt fragen, was er für Drogen nimmt. Die hätte ich auch gerne.
    »Das ist ein Dreier-Prius, ein Vollhybrid. Also Vierzylinder-Benzin-Motor kombiniert mit einem superleisen Elektromotor«, referiert er voller Stolz. »Fahren übrigens auch George Clooney und Leonardo DiCaprio!
    »Kein Wunder, dass ich Sie nicht gehört habe … «
    »Ja, eine gewisse Mitschuld trage ich schon. Die Leute verlassen sich im Verkehr zu sehr auf ihre Ohren. Allerdings hat man im Normalfall ja auch noch Augen im Kopf.« Er blickt zu mir rüber.
    »Na, dann ist es ja gut, dass Sie sich für ein schwarzes Auto entschieden haben. Das sieht man im Dunkeln so gut.«
    »Nun ja, ohne Sonnenbrille besteht schon die Möglichkeit, dass man dieses blaue Auto sieht.«
    Er lächelt amüsiert. Als er sich wieder dem Verkehr zuwendet, betrachte ich ihn unauffällig von der Seite und muss feststellen, dass dieser Mann in etwa so weit weg ist von George Clooney, wie Cindy aus Marzahn von Nadja Auermann. Kurz bevor wir bei mir zu Hause ankommen, fällt mir ein, dass ich ja noch ein paar Lebensmittel einkaufen muss. In meiner Küche befindet sich kein einziger essbarer Krümel mehr, und wenn ich nicht einen noch traurigeren Abend als die letzten Abende verbringen möchte, brauch ich zumindest was zu essen. Auch Alkohol ist keiner mehr im Haus, und ohne meine tägliche Dröhnung Weißwein ist an Schlaf nicht zu denken. Hässlich sein ist schlimm, aber hässlich, hungrig und nüchtern sein, kommt in etwa einem Dritten Weltkrieg gleich.
    »Herr Wiedmann … «
    »Christian, einfach nur Christian.«
    »Also gut, Christian, könnten Sie mich vielleicht doch nicht nach Hause fahren. Ich müsste noch in den Supermarkt. Der in der Sülzburgstraße hat bis 22:00 Uhr geöffnet. Sie können mich da gerne absetzen.«
    »Natürlich! Ich fahr Sie gerne zum Einkaufen und dann nach Hause!«
    Wie biegen an der nächsten Ecke ab, und Christian fährt zum Supermarkt. Gott sei Dank gibt es einen Parkplatz direkt vor dem Eingang. Er humpelt um das Auto herum und öffnet mir die Tür. Als ich aussteigen will, schießt mir ein fieser Schmerz in den Rücken, und ich stöhne auf.
    »Wissen Sie was, bleiben Sie einfach sitzen. Ich besorge Ihnen, was Sie brauchen«, bietet Christian freundlich an, »nicht dass Sie mir mit Ihrer Sonnenbrille gegen die Obsttheke laufen.« Und weil ich sowieso nicht scharf darauf bin, durch den hell beleuchteten Supermarkt zu latschen, willige ich dankbar ein. Außerdem bin ich mir nicht wirklich sicher, ob ich mit Christian so zusammen gesehen werden möchte. Dr.Jekyll und MrsMonsters kaufen ein, na herrlich!
    »Was brauchen Sie denn?«, holt mich Christian zurück in meinen Beifahrersitz.
    »Nudeln auf jeden Fall und ähm … Maggi Fix für verschiedene Nudelsoßen, Yoghurt,

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