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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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möchten Sie vielleicht schon mal was zu trinken?«
    Man muss hier seinen Namen sagen, damit die Kellner einen im Dunkeln ansprechen können. Ich bestelle eine Weißweinschorle, die wenige Minuten später kommt. Peter stellt sie, wie er mir sagt, auf zwei Uhr und führt meine Hand zum Glas. In einem Restaurant zu sitzen und absolut nichts zu sehen ist wirklich skurril, man weiß nicht, was für andere Gäste da sind, ob Bilder an der Wand hängen und man weiß noch nicht mal, wie der Tisch gedeckt ist, obwohl ich mal davon ausgehe, dass die Deko nicht sonderlich aufwendig ist.
    Wenn man nichts mehr sieht, nimmt man viele Dinge ganz anders wahr, man stürzt sich auf die Gerüche im Raum, man konzentriert sich sehr auf die Geräusche um einen herum, um sich irgendwie zu orientieren. Rechts von mir sitzt ein Pärchen, ich schätze mal so um die dreißig. Sie unterhalten sich gedämpft, ich kann aber trotzdem verstehen, dass es darum geht, dass er nicht zum Mittagessen zu ihren Eltern will und ständig neue Ausreden findet. Links sitzt eine größere Gruppe, mindestens vier Leute, die sich köstlich darüber amüsieren, dass man hier ja endlich mal ein wahres Blind Date haben kann und dass es ja ab einem gewissen Alter von Vorteil ist, wenn man seinen Partner nicht mehr sehen muss. Dann bin ich ja richtig hier, denke ich mir. Es riecht nach Backofenkartoffeln und Thierry Muglers »Angel«. Irgendjemand hat sich zu sehr einparfümiert. Man hört gedämpftes Geklapper und leise Stimmen aus der Küche.
    Ich bin sehr froh, dass man zumindest was hören kann. Mit der Handfläche streiche ich über den Tisch. Ich glaube, es ist ein Holztisch. Auf der rechten Seite liegt das Besteck, und ich pikse mich sofort mit dem Messer. Mit der linken Hand halte ich verkrampft mein Weinglas fest. Ich habe große Angst, dass ich es nicht mehr wiederfinde, wenn ich es abstelle und loslasse. Meine Hände zittern ein bisschen, und in meinem Magen liegt ein riesiger Felsbrocken, was aber weniger an dem Restaurant liegt, sondern viel mehr daran, dass Jens jeden Moment hier reinschneien wird. Ich kann einfach nicht einschätzen, wie ich auf ihn reagiere, und das macht mich nervös. Zur Beruhigung bestelle ich noch eine Weinschorle, indem ich einfach »Peter?« in die Dunkelheit rufe, der wie Kai aus der Kiste sofort mit einem »Ja, bitte?« antwortet.
    »Peter, ich hätte gerne noch eine große Weinschorle und eine Frage: Ist das wirklich sicher, dass man mich hier nicht sieht?«
    »Also, ich kann Sie auf jeden Fall nicht sehen.«
    »Ohhh … stimmt ja, Entschuldigung. Blöde Frage.«
    Mir ist das total peinlich, aber Peter lacht und hat mit solchen Bemerkungen offensichtlich kein Problem.
    »Das macht nichts. Für uns Blinde ist es schön, dass es Orte gibt, an denen unser Handicap nicht sofort ins Auge fällt, beziehungsweise wir sogar noch einen Vorteil haben. Aber machen Sie sich keine Sorgen, in diesem Restaurant sieht man wirklich nichts. Es gibt verschiedene Vorsichtsmaßnahmen, die verhindern, dass auch nur ein einziger kleiner Lichtstrahl in den Raum fallen kann. Man darf beispielsweise nicht rauchen, weil die Glut zu hell wäre, und muss Uhren und Handys, die man beleuchten kann, vorne abgeben. Weinschorle kommt sofort!«
    Das beruhigt mich ein bisschen, und kurz nachdem mir Peter meine Weinschorle gebracht hat, erscheint auch schon Jens. Peter nimmt meine Hand und führt sie zu Jens’ Hand, damit wir uns begrüßen können. Als er mich in den Arm nimmt und mir einen zarten Kuss auf die Gott sei Dank unversehrte Wange drückt, fange ich noch stärker an zu zittern, werde puterrot und bin unfassbar glücklich, dass das keiner und vor allem er nicht mitbekommt. Jens fühlt sich gut an, er trägt ein Hemd aus einem weichem Baumwollstoff, das bestimmt nicht billig war. Außerdem benutzt er noch immer Cool Water von Davidoff, was mir einen Schauer über den Rücken jagt, und seine Wange kratzt ein bisschen, so als würde er zur Zeit einen Drei-Tage-Bart tragen, den ich schon immer an ihm geliebt habe.
    »Du hast vielleicht Ideen, Jessi! Wie bist du denn bitte auf dieses Restaurant gekommen?« Seine Stimme klingt genau wie früher.
    »Na ja, ich dachte es würde dir gefallen, mal im Dunkeln zu essen! Mit Beleuchtung kann doch jeder!«, antworte ich so gut gelaunt wie möglich.
    »Sicher, aber ehrlich gesagt, ich hätte dich nach vier Jahren auch ganz gerne mal wiedergesehen.«
    »Später vielleicht. Ich find’s schön, dass wir uns mal so

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