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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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Werbespruch, den ich je gehört habe, von dem man aber meinen könnte, dass er für Christian und mich gemacht wurde: » Happy Döner makes you schöner!« Ich finde, wer bräsig Mantras vor sich hin faselt, um ein Matschauge loszuwerden, kann sich in der Hoffnung auf Schönheit auch einen Döner mit Zaziki reinzwirbeln. Vielleicht handelt es sich ja auch um einen Wallfahrtsort für äußerlich benachteiligte Menschen, die hoffen, hier mit einem Döner von ihrer Hässlichkeit befreit zu werden, und der türkische Dönermann ist kein Dönermann, sondern ein anatolischer Heiler, der an den Anblick von bemitleidenswerten Gesichtsbaracken gewöhnt ist. Ich bin sehr nervös, als wir den Laden betreten, fühle mich ohne Sonnenbrille und Mütze immer noch ein bisschen nackt und verletzbar. Christian merkt es und nimmt meine Hand. Zwei der vier Tische sind besetzt, aber keiner achtet auf uns, weil alle mit ihren riesigen Teigtaschen beschäftigt sind.
    »Und? Was hättest du gerne?«, fragt mich Christian, als wir vor der Theke stehen.
    Ich muss nicht lange überlegen. »Mit allem und mit ganz viel scharf!«
    »Für mich auch, bitte!«
    »Zweimal Döner mit allem und ganz viel scharf, kommt sofort!«
    Der Happy-Dönermann eilt zum Dönerspieß und schneidet das knusprig-braune Fleisch ab, packt es in zwei Teigtaschen, garniert das Ganze mit Salat und roter Chilisauce. Er ist sehr freundlich, fragt, ob ich auch Zwiebeln und Knoblauchsoße will, und mein Matschauge und Christians Feuermal scheinen ihn dabei so überhaupt nicht zu irritieren, zumindest merkt man es ihm kein bisschen an. Also doch ein Wallfahrtsort.
    »Zum Mitnehmen oder zum hier essen?«
    Christian antwortet für uns und bestellt »zum Mitnehmen«.
    »Hey, wir können gerne hier drinnen essen, es macht mir wirklich nichts aus«, sage ich ihm.
    »Ich weiß! Aber ich würde, glaube ich, lieber draußen essen. Sollen wir uns vielleicht da vorne vor die Mensa setzen?«
    Er deutet auf das Universitätsgelände, das nur ein paar Meter entfernt beginnt. Ich nicke und wir gehen in Richtung Mensa. Das Gebäude ist bereits ziemlich heruntergekommen, nirgendwo brennt Licht, jedes freie Fleckchen Wand ist mit einem Plakat überklebt, das auf irgendeine der zahlreichen Studenten-Partys in der Stadt hinweist. Wir gehen eine Treppe hoch und kommen auf eine Terrasse, auf der Biertische und -bänke stehen, ein idealer Platz um zu essen, quasi dafür gemacht, und wir sind völlig alleine. Es ist herbstlich frisch, und ich friere ein wenig. Christian zieht seine Jacke aus und legt sie mir über die Schulter.
    »Aber –«, möchte ich mal wieder protestieren. Er legt den Finger auf die Lippen. Nach ein paar Minuten, in denen wir vor allem über die Vor- und Nachteile der türkischen Küche gesprochen haben, traue ich mich, ihn endlich das zu fragen, was mich beschäftigt, seitdem wir uns kennengelernt haben: »Sag mal Christian, wie machst du das? Wie kommt es, dass du, na ja, dass du trotz deines Äußeren … also ich meine wegen des Feuermals … und na ja, wegen der Füße und so … « Er guckt mich neugierig an, hilft mir aber nicht, meinen Satz zu Ende zu bringen. »Und bitte, bitte, versteh mich jetzt nicht falsch, aber anscheinend macht es dir so wenig aus, na ja, dass du nicht, wie soll ich sagen, na ja, so ganz der Norm entsprichst, also … «
    »Du meinst, du willst wissen, warum ich trotz meines Aussehens meistens gut gelaunt bin und mich noch nicht von der Hohenzollernbrücke gestürzt habe?«
    Ich nicke. Gott sei Dank, das klingt nicht, als ob er wieder sauer wäre. Er überlegt eine Weile.
    »Weil ich davon überzeugt bin, dass das Aussehen nicht so eine große Rolle im Leben spielt, wie du denkst, und letztlich bin ich der lebende Beweis dafür.«
    »Wie jetzt … «
    »Weißt du, wenn mir mein Aussehen nicht so wichtig ist, ist es den anderen Menschen auch nicht so wichtig. Ich gehe auf die Leute so zu, als ob ich ein gut aussehender Mann wäre, mit zwei gleich langen Beinen und gleich großen Füßen und einem makellosen Gesicht und vollem Haar, und ob du es glaubst oder nicht, so behandeln mich die Menschen dann auch. Es ist wirklich einfacher als man denkt.«
    Er sagt das voller Überzeugung.
    »Vielleicht gilt das für dich als Mann. Aber mal ehrlich, als Frau hast du doch sofort verloren, wenn du scheiße aussiehst … äh, also ich wollte damit jetzt nicht sagen, dass du sch … «
    Er schmunzelt und pickt ein kleines Fleischstückchen aus seiner

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