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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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mir. Vor Funny Face bleibe ich stehen, da ich nicht weiß, wo genau ich jetzt hingehen soll. Vom Flur gehen drei Türen ab. Ich schaue Christian an, der immer noch nichts gesagt hat. Erst jetzt sehe ich, dass seine Augen gerötet sind, als ob er gerade geweint hätte. Ich bekomme sofort ein unfassbar schlechtes Gewissen. Wie konnte ich ihm das nur antun.
    »Christian, wirklich, ich hab das nicht so gemeint. Bitte, sei nicht so traurig, weil ich so eine dumme Kuh bin, die nicht damit zurechtkommt, dass sie im Moment nicht hübsch ist … «
    »Ich hab das Sorgerecht für meinen Sohn nicht bekommen.«
    »Oh!«
    »Ich hab so gekämpft, ich hab die besten Anwälte engagiert und trotzdem verloren.«
    Seine Stimme zittert. Ich drehe mich ganz zu ihm und nehme ihn – auch wenn ich Angst habe, dass er mich wegstößt – in den Arm, woraufhin er anfängt zu schluchzen und mich Gott sei Dank gewähren lässt. So stehen wir dann bestimmt zehn Minuten im Flur unter dem »Funny Face« von Audrey Hepburn, das eher hübsch als »funny« ist und sagen kein Wort. Ich hab noch nie einen weinenden Mann im Arm gehalten. Meine Freunde waren dann doch mehr die Machotypen, die sich eher den Finger abgebissen hätten, als vor einer Frau zu heulen. Bisher fand ich das auch immer ganz gut, aber in diesem Moment empfinde ich anders als gedacht. Ich fühle eine ganz große Stärke, die von Christian ausgeht, und das obwohl er weinend in meinen Armen liegt, und bin erstaunt. Dann löst sich Christian von mir, um sich die Nase mit seinem Stofftaschentuch zu putzen.
    »Tut mir leid, Jessica.«
    »Das muss dir nun wirklich nicht leidtun. Was das Heulen angeht, steht es immer noch hundert zu eins für mich, da lieg ich ganz weit vorne!«
    Er bringt ein kleines Lächeln zustande, und ich frage ihn, ob er vielleicht auch ein Wohnzimmer hat, in das wir gehen könnten.
    »Ja, sogar eins mit Möbeln.«
    Und tatsächlich, in Christians Wohnzimmer steht eine große einladende Couch, auf der ich garantiert bei jedem Film einschlafen würde, ein antiker Sekretär, der mit Papieren und Kram vollgestopft ist, ein Hightech-Flachbildfernseher, ein Couchtisch, ein Esstisch aus dunklem Holz mit apfelgrünen Stühlen, an dem locker sechs Personen Platz haben, und natürlich ein riesiger und gut gefüllter Weinkühlschrank. Sehr geschmackvoll und gemütlich und im Gegensatz zu meiner Wohnung total gepflegt. Ich bin mir sicher, dass der Dielenboden noch keine Liaison mit einer schimmeligen Dosensuppe hatte. An der Wand hängen ganz viele Fotos von einem kleinen hübschen dunkelhaarigen Jungen, der fröhlich in die Kamera guckt, und selbstgemalte Kinderbilder. Wir setzen uns auf die Couch, beziehungsweise wir sinken in die Couch, und dieses Mal ist es Christian, der redet. Er erzählt mir die ganze Geschichte von seiner Exfrau, die immer noch was von ihm will, er aber nicht von ihr, und die ihm deshalb den Umgang mit dem eigenen Sohn verbietet. Daraufhin hat Christian das Sorgerecht beantragt, ist aber heute vor Gericht gescheitert. Jetzt ist er abhängig von der Laune seiner Exfrau, die meistens schlecht ist, was ihn verständlicherweise sehr unglücklich macht, zumal der Junge unter der Situation sehr leidet. Ich höre lange zu, bis alles gesagt ist, und merke, dass er sich ein wenig entspannt hat. Als wir eine Weile geschwiegen haben, frage ich ihn vorsichtig: »Darf ich dich heute vielleicht mal zum Essen einladen?«
    »Du willst mich zum Essen einladen? Etwa in ein Restaurant?«
    »Wenn wir eins finden sollten, das noch offen hat, würde ich das sehr gerne tun.« Er schaut auf seine Armbanduhr.
    »Es ist schon halb elf, ich fürchte, wir müssen mit einem Döner vorliebnehmen. Aber ich kenne einen sehr guten Türken hier um die Ecke.«
    »Dann mal los! Ich hab Hunger bis unter beide Arme«, sage ich und hieve mich schwerfällig aus der Couch. Wir nehmen unsere Jacken und verlassen Christians Wohnung. Im Treppenhaus fragt er mich: »Hey, heute ohne Sonnenbrille und Mütze? Ist mir vorhin gar nicht aufgefallen.«
    »Ja, heute ohne Sonnenbrille und Mütze.«
    »Gefällst mir auch viel besser ohne. Komm!«
    Drei Minuten später stehen wir vorm »Happy Döner«, einer Mischung aus 70er-Jahre-Retrobar, mit orangenen Plexiglaslampen über weißen Resopaltischen, und klassisch-türkischem Imbiss, mit Dönerspieß und napfartigen Aluschalen voll mit Salat und eingelegtem Gemüse hinter der Thekenscheibe. Auf der Schaufensterscheibe steht der wirklich schlechteste

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