ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
anbietet. Leider klappere ich die Adressen erfolglos ab und lande schließlich in der Jugendherberge. Dessen Chef bietet mir für 18 Euro eine Übernachtung an, einen Job oder eine Bleibe für weniger Geld darf er mir nach eigenem Bekunden nicht geben. Ich radle weiter zu den Wormser Naturfreunden. Hier kostet eine Übernachtung 15 Euro. Derzeit zu teuer, sage ich, ich muss meine Reisekasse schonen. Da rät mir ein Naturfreund, es doch mal auf dem Campingplatz am Floßhafen zu versuchen. Hier angekommen, radle ich suchend und die Gegend erkundend herum. Das bleibt einem Dauercamper nicht verborgen. Der ältere Herr, braun gebrannt wie nach einem Karibikurlaub, schickt mich in die Nachbarschaft zum Wormser Wassersportverein. Susanne Schneider, Betreiberin des Vereinsrestaurants, erlaubt mir, auf dem Gelände zu übernachten. Und zwar in einem offenen Pavillon aus Holz. Eine kostenlose Dusche ist auch noch drin. Zum späten Feierabend laden mich die Wirtin und ihr Mann Jürgen zum „Schöppsche“ ein. Und dann verschwindet Frau Schneider in der Küche, um mir kurz darauf ein dickes Lunch-Paket in die Hand zu drücken. Das ist reich gefüllt mit Obst und Gemüse, belegten Broten, Knackern, einem Ei, Schokoriegeln und Salzbrezeln. Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland und lange in den folgenden Tagen richtig zu.
Als Glück erweist sich, dass der Pavillon überdacht ist. Denn am nächsten Morgen, gegen 6 Uhr, weckt mich Donnergrollen. Schnell packe ich alles zusammen, will abwarten, bis das heftige Sommergewitter vorbei ist. Und genau da spaziert der Dauercamper von gestern Abend mit Hund Timo, seinem „Camper-Kumpel“, vorbei. Der Mann von Ende sechzig lädt mich prompt zum Kaffeetrinken in sein Campingreich ein. Der einstige Gabelstaplerfahrer wohnt von Frühjahr bis Herbst auf dem Platz, der sein zweites Zuhause ist.
Tschüss Worms. An diesem Tag werde ich es bis Speyer schaffen. Ich werde ein Wechselbad der Gefühle und Begegnungen erleben – von frustrierend bis wunderbar. Aber der Reihe nach.
Kapitel 7
Abweisende Nonnen und gastfreundliche Schwestern
74 Kilometer fahre ich von Worms nach Speyer. Ich weiß noch, dass ich in Ludwigshafen das riesige BASF-Gelände umfahren muss, ansonsten sind kaum Erinnerungen an die Tagestour geblieben. Auch das gibt’s, wenn auch selten: sich beim Radeln einfach treiben lassen und ganz im eigenen Bewegungsrhythmus versinken. Das macht den Kopf völlig frei.
Die Erlebnisse in Speyer sind mir allerdings heute noch so präsent wie am 21. Juni 2007. In der Domstadt würde ich gerne in einer kirchlichen Einrichtung unterkommen, vielleicht in einem Kloster, und gegen Kost und Logis ehrenamtlich helfen. Ich stehe am Kreisverkehr vor dem Dom, blättere in meiner Broschüre Atem holen , in der Ordensgemeinschaften für Frauen und Männer aufgelistet sind, die Fremden ihre „Gastfreundschaft und Weggefährtschaft“ anbieten, wie es im Vorwort des Heftes heißt. Es hat mich ja schon ins Kloster Tiefenthal in Eltville geführt.
Plötzlich sehe ich einen Mann auf mich zukommen, der irgendwie wirkt, als sei er in Kirchenfragen kompetent. Volltreffer! Vor mir steht Josef D. Szuba, der Personalchef der Diözese. Der freundliche Mann gibt mir Tipps, wo ich anfragen kann. Voller Zuversicht mache ich mich auf den Weg. Dieser führt mich zuerst zum Institut St. Dominikus. Hier im Hof laden gerade Dominikanerinnen Stiegen voll Erdbeeren aus Autos, und es dauert ein bisschen, bis eine Schwester gefunden ist, die für mein Anliegen ein Ohr hat. Da könne sie leider gar nichts machen, denn die für solche Dinge zuständigen Schwestern seien im Urlaub, lautet die sehr irdische Antwort. Die Schwestern sind so höflich und rufen im Orden der Karmelitinnen an, die aber ebenfalls ablehnen. Weiter geht’s zum Bistumshaus, wo ich erklärt bekomme, dass das Matratzenlager nur für Gruppen reserviert sei, und zur Diakonissenanstalt, wo mich eine sehr nette Frau am Empfang zum Warten auf die Chefin einlädt. Als diese schließlich erscheint, winkt sie gehetzt ab. Das Haus sei voll, außerdem käme ich mit meinem Anliegen zu kurzfristig, das ginge auch arbeitsrechtlich nicht.
Den traurigen Höhepunkt bildet schließlich mein Besuch bei den „Unbeschuhten Karmelitinnen“, zu denen ich mich trotz vorheriger telefonischer Absage noch persönlich aufmache. Die Karmelitinnen leben nach Regeln, die zu den strengsten überhaupt in katholischen Ordensgemeinschaften zählen. Zwar gibt es auch in Speyer
Weitere Kostenlose Bücher