ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
käme für die Frau, die sich das Kochen übrigens selbst beigebracht hat, nicht in Frage. „Ich will kochen, und das kann ich hier. Hier ist es gut.“ Findet auch Antonio. Seit gut 18 Jahren steht der Mann, Ende vierzig, ganzjährig in treuen Diensten der Becks. Dieser Tage erwartet er seine Zwillingstöchter aus Polen, sie helfen auf dem Hof. Wie auch seine Frau und sein Sohn. Ist Theo Beck ein guter Chef? „Er ist wie ein Papa.“
Am Sonntag ist – sehr zur Freude meines Rückens – mittags Feierabend. Ich fahre zu Barbara Zürker, die mich beim Kaffeeklatsch mit einem Pfirsichauflauf verwöhnt. Danach steigen wir bei strahlendem Sonnenschein ins Cabriolet, und Barbara zeigt mir die Pfalz. Ich sehe malerische Dörfer, Grillen zirpen am Wegesrand; Sonnenblumenfelder, Feigenbäume und duftender Oleander verbreiten südländisches Flair. Fachwerkhäuser sind liebevoll saniert, auch aus Sandstein, der in der angrenzenden Haardt abgebaut wird.
Dann heißt es Abschied nehmen. Die Schwestern Barbara und Edeltraud haben für immer einen Platz in meinen Erinnerungen. Und die Becks. Am Montagmorgen setzt sich Traudel Beck zu mir an den Frühstückstisch und zahlt mir 130 Euro nach zweieinhalb Tagen Ernteeinsatz aus. Ich bin stolz wie Oskar. Und dann erzählt sie die Geschichte ihrer Familie. Früher bewirtschaftete Theos Vater Ludwig Beck mit Familie einen Bauernhof im Dorf Dudenhofen. Theo und Traudel Beck, Anfang und Mitte sechzig, bauten von 1976 bis 1979 eine Aussiedlung am Rande des Dorfes, die sie 1979 bezogen. Der Hof bietet drei weiteren Familien ein Zuhause. Das Ehepaar Beck lebt hier mit seinen Töchtern Bärbel und Katrin – es wären eigentlich drei. Im Jahr 1985 kam Tochter Lissy, damals 14 Jahre alt, bei einem Reitunfall ums Leben. Die Becks kamen nichtsahnend aus dem Urlaub, als im ganzen Haus Licht brannte, und Traudel Beck dachte, es sei etwas mit dem Vater passiert. Als sie hörte, dass Lissy tot war, brach alles über ihr zusammen. „Es war, als ob mir von oben durch den ganzen Körper ein Pfahl gerammt wird“, erinnert sie sich. „Nur mit viel Arbeit und Kraft konnten mein Mann und ich bis heute das Leben meistern.“ Die Arbeit, die gemeinsamen Ziele, die Familie, Kinder und Enkel sind der Antrieb weiterzumachen, nicht aufzugeben. Traudel Beck hat noch etwas geprägt: ihre geradezu übermenschlich anmutende Hoffnung auf neues Leben nach Lillys Tod. Die Mutter bringt Katrin, die jüngste Tochter, auf die Welt.
Traudel Beck erinnert sich, wie es früher immer war, während der Hof um- und ausgebaut wurde oder wenn ihr Mann nach vollbrachtem Tagwerk seine Stiefel auszog: überall Sand, immer wieder Sand. „Ich wüsste schon einen Titel, wenn ich ein Buch schreiben würde: ,Sandbollen hinter dem Haus‘.“
Kapitel 9
Bügeln im Hotel
Am Tag 13 meiner Tour führt der Weg zunächst selten direkt am Rhein entlang. Ich muss große Schleifen um Inseln, Auen und Orte fahren – zu meinem großen Vergnügen. Denn die Auwälder zwischen Leimersheim und Germersheim sind eine gemächliche Radtour wert. Dann muss ich einen großen Umweg über Jockrim nach Wörth fahren, den Grund dafür weiß ich heute nicht mehr. In Wörth treffe ich auf einen Radfahrer, der wie ein Profi gekleidet ist. Wir plaudern, und als er vom geplanten Verlauf meiner Radtour hört, sagt er: „Ich will mal nach Finnland radeln.“ Er gehört zu den etlichen Radlern, die mir unterwegs erzählen, wo sie mal hin wollen. Irgendwann. „Nicht nur reden, machen“, denke ich dann jedes Mal. Es lohnt sich.
Das schöne Wetter schlägt um, es beginnt stark zu regnen. In Neuburg wechsle ich mit der Fähre auf die rechte Rheinseite. Damit entscheide ich mich für die Weiterfahrt am deutschen Ufer entlang, die Gegend kenne ich nicht. Links, auf der französischen Seite, war ich vor gar nicht langer Zeit mit meiner Freundin Kerstin im Elsass auf Entdeckungsreise. Außerdem führt in Frankreich der Radweg zuweilen weg vom Rhein, was mir nicht so zusagt.
Ich bin der einzige Fahrgast auf der Fähre, und genau aus diesem Grund ziehen die ausgehängten Geschäftsbedingungen meine Aufmerksamkeit auf sich. „Ein einziger Fußgänger oder Radfahrer hat keinen Anspruch auf Überfahrt“, heißt es da. In der Regel fahre die Fähre alle 15 Minuten. „Bei gewünschter Einzelfahrt: 5 Euro für Brennstoffkosten inkl. Fahrpreis.“ Das wäre für mich ein Vermögen, aber ich muss nur den üblichen Fahrpreis berappen. Ach, und dann steht da noch:
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