ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
Wegesrand. Es schmeckt einfach echt, wie alles auf dem Öko-Hof: Radieschen, Tomaten, Salat. Und erst der Wein! Grauburgunder, in Baden das Flaggschiff unter den Weinen, Chardonney und Spätburgunder Rotwein, um nur drei aus dem großen Helde-Wein-Sortiment zu nennen. Hinzu kommen Sekt, Obstbrände und andere Köstlichkeiten. Mein Favorit ist der Jubiläumswein, ein Spätburgunder Rotwein, den Norbert Helde 2006 zu drei Anlässen ausgebaut hat: seinem 40. Geburtstag, seinem 25-jährigen Berufsjubiläum als Winzer und seiner 15-jährigen Tätigkeit als Weinbautechniker. Ich sage über den Wein: sündhaft lecker. Der Winzer beschreibt ihn so: „Samtig, weich und gehaltvoll, gepaart mit Fruchtaromen nach Sauerkirschen und Brombeeren. Ein temperamentvoller, charakterstarker und gereifter Typ mit Potenzial – ganz wie der Gutsinhaber persönlich.“ Ist ja gut, Chef!
Etwas ganz Besonderes sind die streng limitierten Emil-Gött-Weine, benannt nach einem Jechtinger Dichter, Bauern und Menschenfreund, wie mir erklärt wird. Der von 1864 bis 1908 lebende Mann „machte schon zu seiner Zeit zukunftsweisende Vorschläge zum umweltschonenden Weinbau“. Und darüber kann ich mit den Heldes am Samstagabend, nach getanem Tagwerk, am Küchentisch reden. Warum Sohn Norbert auf ökologischen Anbau umstellte: „Die Industrie-Herbizide sickern ins Grundwasser, Allergien nehmen zu“, nennt er die zwei wesentlichen Gründe. Bei ihm kommt keine Chemie mehr zum Einsatz, „die ist auf dem Nullpunkt“. Gegen Mehltau spritzt er in Wasser aufgelöstes Backpulver. Bei Läusebefall der Rebstöcke kommt ein spezielles Öl zum Einsatz. „Wir müssen fünf bis sieben Mal im Jahr Gras mähen oder hacken“, sagt er, und das unterscheide ihn von einem herkömmlichen Winzer, der stattdessen zwei Mal mit chemischen Mitteln auf dem Boden spritze, um das Unkraut zu vernichten.
Die Heldes betreiben auf vier Hektar Land Obstanbau für den Bio-Großhandel und auf nochmals vier Hektar für Obstbrände aus eigener Destillerie. Die zum Teil 70 Jahre alten Streuobstbäume hat schon Norbert Heldes Großvater gepflanzt. Und schließlich erfolgt auf acht Hektar Land der Weinausbau. „Wir machen weniger, aber dafür richtig gut“, lautet das Credo des Winzers. Bestärkt wird er darin nicht zuletzt durch Prämierungen für Weine und Brände seines Gutes. Bei der Obsternte und Weinlese, die Trauben werden von den Reben geträufelt, sind Erntehelfer im Einsatz. Außerdem kann der Junior auf „geländegängige Tanten und Omas“ zählen.
Auch bei den Heldes geht es an diesem Sonntag nur für einen halben Tag in die Obsternte. Zeit für mich, die Gegend zu erkunden. Ich radle in das Winzerdorf Burkheim, spaziere durch lauschige, verwunschene Gassen und lasse mich im „Siebten Himmel“ nieder. Im Garten des gleichnamigen Restaurants, das Heldes Wein auf der Karte hat, gönne ich mir einen Emil Gött, Spätburgunder Rotwein 2001. Ein Glas kostet sieben Euro – es kommt die Stunde der zehn Euro, die mir meine Nachbarin mit auf den Weg gegeben hat. Kein Cent ist verschenkt bei diesem Tropfen. Ich genieße – und lese. In der Weinkarte stehen Sprüche wie „Im Wasser kannst du dein Antlitz sehen, im Wein der anderen Herz erspähn“. Auch der englische Wein-Papst Hugh Johnson kommt zu Wort: „Weintrinker sehen gut aus, sind intelligent, sexy und gesund.“ Ganz meine Meinung.
Später ist noch Zeit für ein Abendmahl mit Norbert und einem seiner Freunde in einem schönen Lokal. Hier versetzt mich die geeiste Holunderblütencreme in kulinarisches Entzücken. Überhaupt ist der Kaiserstuhl für Genießer sehr zu empfehlen. Am nächsten Morgen das letzte Frühstück in der Küche. Ich darf Pflaumen und Brot einpacken, und von Norbert gibt’s 100 Euro und eine Flasche Emil-Gött-Grauburgunder. Wie schon in der Pfalz auf dem Hof der Becks, hatte ich vorher nicht über die Bezahlung verhandelt. Ich wusste einfach in beiden Fällen, dass ich nicht über den Tisch gezogen werde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil: nicht nur für meine Arbeit fair bezahlt, sondern mit Begegnungen reich beschenkt.
Kapitel 11
Fläschle, Häusle und Sößle
Dass ich am Kaiserstuhl eine Gegend verlasse, in der es viel zu entdecken gibt, wird mir bei der Abreise so richtig bewusst. Nicht weit von Jechtingen steige ich nochmals für ein paar Minuten vom Rad, um durch eine Ausstellung mitten im Grünen zu spazieren. Hier ist Gunther Armin Dross am Werk, oder, wie er sich
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