ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
die süßen Jungtiere auf der Weide. Im ersten Sommer dürfen sie raus, und dann landen viele Lämmer … ach, man will gar nicht weiter drüber nachdenken.
Um 9.30 Uhr bittet Manuela an den Frühstückstisch. Es gibt Weißwurst, was ja in Bayern nicht weiter verwundert. Aber diese Weißwürste sind anders, sie bestehen zu 90 Prozent aus Ziegenfleisch und zu zehn Prozent aus Fleisch vom Schwein. Das Ziegenfleisch allein ist zu mager dafür, die Weißwurst wäre zu trocken und bröselig.
Zum Abschied geben mir Manuela und Günther Gebauer ein großzügiges Wurstpaket mit auf dem Weg, von dem ich mehrere Tage zehren werde. Ich habe viel Neues erfahren und gekostet, was ich so noch nicht kannte, und wieder unglaublich gastfreundliche Menschen kennen und schätzen gelernt. Bei den Gebauers gab es wirklich keine Sekunde lang Grund zum Meckern.
Kapitel 16
Träumen unterm Sternenhimmel
Das Wetter meint es sehr gut mit mir, als ich mich in Scheuring wieder aufs Rad schwinge. Bei hochsommerlichen Temperaturen radle ich durch Felder, dann immer am Lech entlang bis Königsbrunn. Den Fluss lasse ich später rechts liegen, der Weg führt weiter durch eine saftig grüne und blühende Auenlandschaft mit mehreren Bachläufen. Am Lochbach komme ich gerade dazu, wie einem Fischer eine stattliche Forelle ins Netz geht. Er spricht über den Radweg „Romantische Straße“ aus, was ich auch schon mal dachte: „Eine romantische Straße war sie wohl mal vor 200 Jahren, heute müsste sie eigentlich B 17-Straße heißen.“ Der Gerechtigkeit halber sei erwähnt, dass es auch wunderschöne Streckenabschnitte gibt. Aber eben auch einige triste. Dann begegnet mir noch eine Frau, die – wie unsereins mit dem Rad oder zu Fuß – mit Kutsche unterwegs ist, vor die ihr Pferd Merino gespannt ist. Dank Einheimischen-Tipp lasse ich Augsburg links liegen, ohne die im Radplan beschriebene Schleife zu fahren. Ich komme sehr gut und schnell voran auf diesem schönen Streckenabschnitt und fahre trotz spätem Start 94 Kilometer bis kurz vor Donauwörth. Auf der Karte sind die Riedlinger Seen eingetragen, und schon weiß ich, wo ich heute übernachte: am Ufer eines dieser Seen. Nichts trübt die Idylle am lauschigen Sommerabend. Erstaunlich, dass an einem Freitagabend hier kaum jemand entlang spaziert. Ich schlage mein Lager 20 Meter vom Ufer entfernt auf, bade im See, später esse ich Wurst vom Ziegenhof, rolle meine Isomatte im Gras aus, mich in den Schlafsack ein und gucke in den klaren Sternenhimmel, bis mir irgendwann die Augen zufallen. Das sind die unvergleichlichen Situationen auf meiner Reise, die mich total glücklich machen. Sie bewahre ich wie einen Schatz in meinen Erinnerungen auf, sie rufe ich ab, wenn der Alltag in meinem „normalen Leben“ mehr Last als Lust ist.
Für das Risiko, ungeschützt im Freien zu nächtigen, werde ich nicht bestraft. Es bleibt trocken. Am nächsten Morgen, als die Sonne schon Tau aus dem Gras saugt, gönne ich mir noch ein Bad im See, bevor ich das Gepäck wieder auflade und ins schöne Donauwörth fahre. Hier trinke ich Kaffee, bummle durch die Straßen und fahre erst gegen 10.30 Uhr weiter. Diese Tagestour durch den Hochsommer lässt nichts zu wünschen übrig; vorbei geht’s an Getreide- und Maisfeldern, Grillen begleiten mich mit ihrem Konzert, die Luft ist heiß und flimmert am Horizont. Ich trinke literweise Wasser, das mir unterwegs ganz selbstverständlich von lieben Menschen in meine Flasche gefüllt wird.
Dann kommt mir ein Fahrradfahrer entgegen, ein „verkleideter“, wie ich die Hobbysportler inzwischen nenne, die aussehen, als würden sie bei der Tour de France starten. Ich frage ihn, wie weit es noch bis Nördlingen ist. Daraufhin berichtet er stolz und wie aus der Pistole geschossen, wie schnell er beim letzten Mal dieses Ziel erreicht habe. Hm, wollte ich ja gar nicht wissen. Aber ich bin nicht (mehr) überrascht, der ältere Herr ist nicht der erste Mensch auf meiner Tour, der so erfolgsorientiert auf meine schlichten Fragen zu Wegverlauf und -länge reagiert. Und es sind immer Männer …
Hinter Harburg gibt der Radweg Romantische Straße plötzlich große Rätsel auf. Wegen des Ausbaus der Bundesstraße 25 ist die vorhandene Beschilderung durchgestrichen – ersatzlos. Liegt’s an der Hitze oder daran, dass ich zuvor einen ziemlich steilen Berg bewältigen musste? Ich weiß es nicht, jedenfalls bin ich genervt und frustriert und blaffe eine Postbotin an, die mit ihrem Auto
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