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ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)

Titel: ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Storck
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für mich.
    Jobben in Thüringen, das sollte wohl nichts werden. Nach einem weiteren Ruhetag schwinge ich mich am Mittwoch, 25. Juli, morgens wieder aufs Rad. Ich fahre auf den Thüringer Städtekette-Radweg, Richtung Gotha und Eisenach. Ich habe mir vorher sicherheitshalber die Ortsnamen notiert, die ich passiere, aber der Weg ist prima ausgeschildert. Bevor ich mich richtig darüber freuen kann, komme ich schon in Neudietendorf, das ist noch nicht weit von Erfurt weg, ins Grübeln. Ein Richtungspfeil an einer Kreuzung ist nicht eindeutig, ich frage vorsichtshalber zwei Einheimische, darunter eine Radfahrerin, nach dem Weg. Sie schicken mich leider in die falsche Richtung, ich lande schließlich auf der B 7 nach Gotha. Zum Umdrehen bin ich zu bequem, begebe mich stattdessen in Lebensgefahr und hoffe inständig, dass vor allem die an mir vorbeidonnernden Lkw schön Abstand zu mir halten. Hinzu kommt ein erbarmungsloser Gegenwind, der die Fahrt zusätzlich erschwert. Später, wieder auf dem Radweg, fahre ich ein Stück parallel zur A 4. Witzig, dort trete ich sonst im Auto aufs Gaspedal. Weiter geht es durch einige Dörfer, bis ich in Eisenach ankomme. Es liegen nur 65 Kilometer hinter mir. Aber das reicht völlig. Die fünf Tage Ruhe und gutes Essen und Trinken in Erfurt machen sich tatsächlich bemerkbar. Ich muss erst wieder in Tritt kommen.
    In den vergangenen 15 Jahren bin ich oft auf der Autobahn an Eisenach vorbeigerauscht. Nun stehe ich erstmals wieder bei strahlendem Sonnenschein mitten im Zentrum und staune, wie liebevoll die historische Innenstadt saniert wurde. Hier will ich mich umsehen und beschließe zu bleiben. Eine Mitarbeiterin in der Touristen-Info findet für mich eine Übernachtung für 16 Euro. Ich fahre gleich in die Pension, wo mich der Inhaber Manfred Heyder begrüßt. Als ich mein Zimmer beziehe, meine ich, von einer Zeitmaschine in die Vergangenheit gebeamt worden zu sein. Hier strahlt alles in original DDR-Ambiente: Möbel in allen Brauntönen, die es so nur in Honnis Welt gab, Sprelacard-Oberflächen, ein Fernseher Marke RFT Colorett, im Bad eine Dusche mit eingebautem Warmwasser-Boiler und Pumpe, wie ich sie zuletzt in DDR-Zeiten auch in meiner Wohnung in Erfurt stehen hatte. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Und alles ist picobello sauber und bestens erhalten.
    Abends gehe ich preiswert essen und schlendere später am lauen Sommerabend durch die Straßen. Am nächsten Morgen spendiert der nette Herr Heyder Kaffee, und dann lasse ich den Osten hinter mir.

Kapitel 19
    Unter Menschen und Eseln
    Der Sommer meint es weiter gut mit mir, ich bin jetzt auf dem Herkules-Wartburg-Radweg unterwegs, der bis Kassel führt. Noch einmal zurückgeschaut, mit Blick auf die altehrwürdige Wartburg – und los geht’s. Ich mit meinem Hercules-Rad auf dem Herkules-Radweg – was soll da schief gehen? Aber nicht nur deshalb bin ich von diesem Weg begeistert: Er ist asphaltiert, führt mitten durch Wald, später meist Wiesen und eine Hügellandschaft. Eine bizarre Szenerie bietet der Ort Hörschel, wo eine wunderschöne Kirche steht und im Hintergrund die auf hohen, dicken Betonpfeilern gebaute
A 4 in den Himmel wächst.
    Das Verkehrsrauschen auf der Autobahn, das mich ans Ruhrgebiet erinnert, verebbt allmählich. Vogelzwitschern, Bienensummen, Grillenzirpen, Sonnenblumenfelder bekommen wieder die Oberhand im Auenland. Nur der mahnende, ehemalige Grenz-Wachturm auf einem Hügel in der Ferne erinnert an frühere Zeiten. Einmal mehr wird mir bewusst, was mir alles Wunderbares im geteilten Land vorenthalten wurde. Ich pfeif ein Lied, trete in die Pedale und bin froh, dass mich keine Grenze mehr aufhält. In diesem Moment fühle ich mich wie Hans im Glück – und werde vor mir, ich bin längst in Hessen, einen Wanderer gewahr. Sein Rücken ist mit Rucksack und Isomatte bepackt, in der rechten Hand führt er einen Wanderstab, und seine muskulösen, strammen Waden deuten darauf hin, dass das hier kein Spaziergang für ihn ist. Über 2000 Kilometer hat es gedauert, bis ich einem Pilger begegne. Er heißt Bernd Hornaff, ist vor zwei Tagen in Eisenach losgegangen. Sein Credo: „Der Weg ist das Ziel.“ Der auf naturgemäße Lebensberatung spezialisierte Wanderer sagt: „Ich bin ein Lichtarbeiter, ich will noch was auf der Welt bewegen.“ Und schon packt er eine geweihte Klangschale und Schlegel aus und gibt ein kleines Konzert für mich. Adieu, und guten Weg.
    In Waldkappel mache ich am Nachmittag Pause,

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