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Abgehauen

Abgehauen

Titel: Abgehauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krug
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genommen. Das will ich hier noch mal sagen. Ich bin nicht Biermann, ich hätte es anders gesagt, ich hätte andere Begriffe für manche Sachen genommen. Aber wenn ich die Summe unter diese Veranstaltung ziehe, dann muß ich sagen, ich sehe nicht das DDR-Feindliche darin. Ich bin ermutigt worden auf eine ganz bestimmte Weise. Und ich habe gesehen, daß da ein Kommunist ist, eben kein Rechter, mit einer anderen Meinung, als das Politbüro sie gerade hat oder einige davon. Er ist kein Rechter, er ist ein Linker. Viele Sachen haben mich stark berührt, und mit manchem bin ich auch nicht einverstanden. Trotzdem ist das kein Grund, ihn rauszuschmeißen.
    Darf ich noch den zweiten Punkt sagen. Weshalb es auch dazu gekommen ist, daß ich mich beteiligt habe. Ich war selten so in Übereinstimmung mit unserem Land wie nach dem VIII. Parteitag, und ich lebe lieber in Übereinstimmung mit der Partei, statt immer Differenzen zu haben. Seit zwei Jahren ungefähr hat sich das, was der VIII. Parteitag mir als Versprechen gegeben hat, zunehmend nicht erfüllt. Ich habe das laut gesagt und vorsichtig gesagt. Und irgend wann haben sie’s dann auch mitgekriegt. Seit dieser Zeit beginnt bei mir folgendes: Die Lesungen werden weniger, die Auftritte meiner Frau, Bettina Wegner, ebenfalls. Wir kriegen die Informationen von den Leuten unten an der Basis, die allerdings nicht mit ihren Namen dazu stehen, das verlangen wir auch gar nicht. (Er meint Absagen von Veranstaltern in Kulturhäusern, Lesezirkeln und dergl.) Es gibt eben von staatlicher Seite ein Auftrittsverbot. Kein Podium für Heym, Schlesinger, Wegner, Braun und so weiter …
     
    Heym:
    Und für Jurek Becker.
     
    Lamberz:
    Wieso Auftrittsverbot? Für Jurek Becker zum Beispiel?
     
    Schlesinger:
    Darf ich zu Ende sprechen?
     
    Adameck:
    (Zu Becker:) Du hast doch einen Film nach dem anderen!
     
    Becker:
    (Zu Adameck:) Wenn du Wert darauf legst, erzähle ich dir eine Geschichte von vorgestern.
     
    Schlesinger:
    Darf ich zu Ende reden. Das kulminiert in einer Hausdurchsuchung bei mir, für die irgendein Vorwand gefunden wurde. Mir wurden Bücher und Schallplatten beschlagnahmt, und die haben reagiert auf meinen Protest auf eine infame, bürokratische Weise. Gut, das sind jetzt ganz persönliche Dinge. Ich sehe aber, ich habe gemerkt in der ganzen Zeit an meiner Person und an all den anderen Leuten, daß etwas passiert ist, daß bestimmte Probleme unserer Gesellschaft nicht mehr reflektiert wurden. Das geht durch die ganze Gesellschaft. Ich hab mich gefragt, wie kommt das denn? Es gibt einen ungeheuren Widerspruch zwischen unserer Ökonomie, unserer Industrie, die immer differenzierter wird, und dem Überbau, der nach meiner Meinung nicht nachkommt, der alle Probleme, die in unserer Entwicklung aufgetreten sind, nicht mehr reflektiert. Und das kann nur öffentlich passieren. Da müssen auch die Mittel sich ändern. Also Presse zum Beispiel, die kriegt ‘ne ganz andere Funktion. Die Rolle des Intellektuellen, die am Anfang richtig eine bestätigende Funktion hatte, ist jetzt eine andere. Das geht in Bereiche wie: Verhältnis Erwachsener-Kind-Schule; Verhältnis Erwachsene-Jugendliche; Staat, Polizei und so weiter, in alles, das geht in sämtliche Bereiche unseres Lebens hinein. Und wir haben aufgehört, darüber zu reden. Und dadurch, glaub ich, ist auch sehr viel Unzufriedenheit gekommen, bei mir jedenfalls, und Ratlosigkeit auch. Obgleich ich es bisher immer gesagt habe, überall, ich konnte ja immer reden. Über Kunze (nach dem Westen gegangener Schriftsteller) habe ich mit einem Minister geredet, ich habe gesagt, ich würde das falsch finden, aber ich würde stillschweigen, um das nicht zu einem Fall zu machen. Mein Eindruck war aber, es kam nichts mehr zurück. Es kam einfach nichts mehr zurück. Man hat geredet, man hat’s gesagt, aber nun gut, alle haben zufriedene Gesichter gemacht: komm, gehen wir nach unten einen Kaffee trinken. Aus. Die Entwicklung lief weiter, die Entwicklung, die meiner Meinung nach zu schweren Problemen führen kann und vielleicht noch zu schwereren. Wir, wir sind doch engagiert für dieses Land. Wir leben da und wollen darin leben.
     
    Lamberz:
    Ich weiß nicht, wie viele von euch jemals auf meinen Veranstaltungen waren. Also, eine meiner Schlußfolgerungen ist, ich werde euch öfter mal einladen, wir werden in einen Betrieb gehen, mit den Menschen reden. In einer Veranstaltung – was da alles geredet wird. Von der Frage, ob VOLVOGRAD stimmt, bis

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