Abgehauen
ist anders. Es hat keine Agitation stattgefunden.
Lamberz:
Nein?
Ulrich Plenzdorf:
Nein, ich habe niemanden agitiert, ich hab nur gesagt, hier ist folgendes, möchtest du bitte oder nicht? Oder so. Ich habe gesagt, wie ist deine Meinung?
Lamberz:
Und diejenigen, die euch abgewiesen haben, euch gebeten haben, aus der Wohnung zu gehen …
Heym:
Sie fragen, wohin das führt, Genosse Lamberz. Vielleicht führt es dazu, daß Sie sich einmal Gedanken darüber machen, wie die Schriftsteller, Dichter, Künstler in diesem Lande zu verschiedenen Fragen stehen. Das scheinen Sie bisher nicht zu wissen. Wenn ich mir die Liste der Leute ansehe, deren Erklärungen Sie heute – im Gegensatz zu der unsrigen – im NEUEN DEUTSCHLAND veröffentlicht haben und die ja nicht abstreiten, daß sie das gebilligt haben, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß Sie sich einer Täuschung hingeben, wenn Sie glauben, daß das die Meinung der Mehrheit der Intellektuellen in diesem Lande ist.
Lamberz:
Das werden wir sehen.
Sensberg:
Auch, wenn noch mehr kommen?
Heym:
Auch wenn Sie noch so viele …
Lamberz:
Ja, wenn Sie uns hier den Fehdehandschuh hinwerfen …
Heym:
Ich werfe nicht … Das ist ein gefährliches Wort, was Sie eben gesagt haben: den Fehdehandschuh.
Lamberz:
Bevor die Partei Stellungnahmen veröffentlicht hat von verschiedenen Schriftstellern und Künstlern – Thate und Domröse wissen das genau, denn sie waren bei mir –, habe ich ihnen gesagt: bis zu diesem Moment, bis um acht Uhr, sind wir der Meinung, nicht eine Sache zu veröffentlichen. Ja? Aber eins muß man wissen. Daß man nicht weiter herumläuft und Unterschriften sammelt für einen Protest. Und das Gegenteil war der Fall. Deshalb stelle ich die Fragen. Es gab nicht eine Erklärung von dreizehn Künstlern, es gab schon drei Erklärungen bis gestern mittag und drei Sammlungen von Unterschriften. Und es gibt noch mehr Sammlungen. Ich kann euch alle diese Erklärungen zeigen, die bei ADN (DDR-Agentur; Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst) abgegeben werden. Da muß ich mich doch fragen: Wo soll das hinführen?
Krug:
Wie war’s denn, wenn es dahin führte, daß ihr zur Kenntnis nehmt: Wir denken über die Ausweisung Biermanns anders als ihr. Das wäre das erste. Das zweite ist, daß ihr auch mal eine Konsequenz zieht und euch sagt: Wenn die Leute alle dagegen sind ….
Sensberg:
Nicht alle.
Krug:
Alle, die unterschrieben haben! Mann … Wenn die alle dagegen sind, müssen wir vielleicht mal darauf eingehen.
Thate sagt,
man solle das Wort »protestieren« nicht überbewerten, alles andere sei doch brav sozialistisch formuliert.
Lamberz:
Alle weiteren Unterschriften lauten: Wir erklären uns mit dem Protest der Berliner Künstler vom Soundsovielten solidarisch. Wir erklären uns mit dem Protest solidarisch. Es handelt sich also nicht um Bitten. Und ich frage: Wohin soll das führen?
Schlesinger:
Aber das ist doch eine eindeutige Sache …
Lamberz:
Ich meine, ist das die Plattform einer Diskussion? Was für eine Plattform ist das, Genosse Plenzdorf?
Becker:
Genosse Lamberz, lassen Sie mich ein Wort dazu sagen. Ich mache mir große Sorgen, wohin das führen soll. Ich weiß es nicht. Ich bin völlig ratlos. Und ich möchte das Ding, das gestehe ich Ihnen, vollkommen anhalten.
Wolf:
Ja.
Becker:
Und eine Möglichkeit dieses Anhaltens bedeutet für mich zum Beispiel ein Gespräch. Was soll man denn sonst machen, als sich irgendwann einmal zusammensetzen und darüber sprechen, was man nun tut. Es muß dieser Prozeß der Polarisierung irgendwann aufgehalten werden. Es ist also denkbar: 20 000 Unterschriften auf dieser Seite und 70 000 auf jener Seite, was weiß ich. Das ist drin. Aber das möchte ich nicht, und das will ich nicht, denn es wird auch nach der Klärung, nach der eventuellen Klärung einer solchen Angelegenheit zu Feindschaften führen bei den Beteiligten, was also mit dem unmittelbaren Fall schon gar nichts mehr zu tun hat. Und ich möchte das aus der Welt geschafft und angehalten wissen.
Thate fragt sich,
wie man sich zum Mißbrauch der westlichen Medien nun verhalten solle. Es könne nicht unser Interesse sein, uns gegen die DDR einspannen zu lassen. Wenn eine Auseinandersetzung, dann besser hier im Lande und auf konstruktive Weise.
Wolf:
Jawohl.
Thate sagt,
alle sollten positiv diskutieren und uns nicht feindselig gegen das eigene
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