Abgehauen
sagen würden – das ist natürlich sehr erschwert durch diese Seite voller unqualifizierter Statements heute im ND –, wenn Sie sagen würden, daß Sie auf Bitten vieler prominenter Künstler und Schriftsteller der Republik diese Entscheidung rückgängig machen …
Becker:
… Nicht aufgrund dieser Bitten! Aufgrund innerparteilicher Kommunikation! Das hat gar nichts mit diesen paar Leuten zu tun.
Heym:
Aufgrund wessen auch immer. Es gibt Möglichkeiten, das so zu formulieren, daß es vernünftig ausgelegt wird und aufgenommen wird. Sonst, Genosse Lamberz, kommt die Situation – nicht 17. Juni, das meine ich jetzt nicht –, wo die Sache sich immer weiter verschärft, immer härter wird. Und das wollen wir alle im Interesse der Republik, im Interesse des Sozialismus und, ich bin nicht Parteimitglied, aber auch im Interesse der Partei nicht haben. Das müssen Sie mir schon glauben, das müssen Sie uns allen glauben. Und, sehen Sie, ich habe diesen 17. Juni erwähnt wegen der Fehlerdiskussion, der Rücknahme von Fehlern, dieser schwierigen Dinge, deshalb hab ich das erwähnt. Das war ja einer der Gründe. Ich kann Ihnen nur das Buch wieder empfehlen, das hier verboten ist. Damals wurden Fehler gemacht, genau wie die Biermannausbürgerung ein Fehler war. Dann wurde der Fehler auf unqualifizierte Art zurückgenommen. Und dann zog die Bevölkerung erst den Schluß … Das muß vermieden werden. Aber andererseits muß auch der Fehler, der begangen wurde, korrigiert werden, wenn nicht die Situation eintreten soll, die wir alle nicht wollen, daß das dauernd weitergeht. Ich habe mir gestern die ganze Show vier Stunden lang angesehen, bis zwei Uhr früh. Der Mann hat nichts gesagt, was gegen die DDR war. Er hat sehr viele Dinge gesagt gegen Bürokratie, gegen Mißstände bei uns …
Lamberz:
… Glauben Sie, daß wir keine Ehre haben?
Heym:
Wie bitte? Aber entschuldigen Sie, keine Ehre …
Lamberz:
Na, wenn Sie sagen, er hat nichts gegen die DDR gesagt, da muß ich doch wohl …
Heym:
Hören Sie zu. Er hat nichts gesagt gegen die DDR, er hat nur viel gesagt gegen die BRD. Identifizieren Sie sich mit der Bürokratie? Mit diesen Mißbräuchen der Bürokratie?
Lamberz:
Das ist mir nicht bekannt.
Heym:
Sie haben gesprochen vom Ghetto. Das hat Sie persönlich gekränkt, daß er gesagt hat, Sie wohnen in einem Ghetto.
Lamberz:
Nicht nur das.
Becker:
Daß hier kein falscher Eindruck entsteht, ich glaube, niemand, der hier sitzt, wird Ihnen ernstlich sagen, daß er Biermanns gestrigen Auftritt im Fernsehen von vorn bis hinten gutheißt. Das ist überhaupt keine Frage. Ich tu das nicht, und das tut hier kein einziger. Die Frage ist nur …
Heym:
… Er hat die DDR sogar verteidigt …
Becker:
Die Frage ist nur, ob dieses Maß an Nichtübereinstimmung Biermanns Ausbürgerung aus der DDR legitimieren kann oder nicht. Ich bin überzeugt davon, daß die Rücknahme einer solchen Entscheidung nicht hämisches Grinsen zur Folge hätte bei uns und bei unseren Freunden, bei den Freunden der DDR in der DDR, sondern Sympathie und …
Krug:
Achtung.
Becker:
Verwunderte Achtung.
Wolf:
Daß wir alles dazu tun würden, daß die Wirkung so wäre …
Becker:
Das will ich versichern. Ich zerreiße mich dafür.
Wolf:
Aber davon einmal abgesehen. Selbst wenn das nicht eintrifft – und ich glaube im Moment doch nicht, daß es möglich ist und daß ihr es machen könnt oder wollt –, so möchte ich doch einfach etwas anderes sagen. Ich bin nämlich in einem Punkt mit Stefan Heym ganz konträr: Ich sehe überhaupt kein Fünkchen von Ansätzen einer Ähnlichkeit mit Situationen wie der von 1953. Meine feste Überzeugung – und zwar nicht, weil ich mir jetzt was ausdenke, sondern weil ich unter Leuten lebe, weil ich im Sommer auf dem Lande unter einer Bevölkerung lebe, die mir vorher fremd war und von der ich weiß, wie sie hier in der DDR lebt und nirgendwo anders leben will –, meine Überzeugung ist, daß unser Staat fest ist.
Darf ich noch was dazu sagen: Wenn es doch einmal dazu kommen sollte, vielleicht später, daß Biermann wieder herkommt – wir wären seine Diskussionspartner, mit denen er’s nicht leicht hätte, das möchte ich auch noch dazu sagen. Denn ich hab zum weiteren – soviel ich weiß, wir alle hier – nie zu denen gehört, die ihm irgendwo nach dem Munde reden, ihm irgendwas geschenkt haben, abgesehen davon, daß ich
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