Abgehauen
mit ihm in keiner Diskussion seit vielen, vielen Jahren stand und jetzt dieses mißbilligt habe, besonders was er tat. Also wären wir ganz bestimmt diejenigen, denen er sich dann auch stellen müßte. Er müßte dann nicht denken, daß er hier jetzt auf Rosen gebettet und etwa als Held der Nation zurückkäme. Das alles bin ich auch bereit, öffentlich zu sagen. Das ist also nicht das Problem. Sondern es geht wirklich darum, daß dieses Grundproblem die ganze Zeit war, und ich höre das von andren Leuten: Autoren und Schauspieler und andere Intellektuelle haben ein stärkeres Bedürfnis, sich zu äußern, sich zu artikulieren, das ist ihr Beruf. Ich höre das aus vielen Kreisen der Bevölkerung, daß im Moment ein sehr starkes Verhältnis zur DDR entsteht in dem Sinne, daß hier Sicherheit ist, daß sie arbeiten, sehr oft eine Arbeit haben, an der sie hängen, daß sie sich verwirklichen können in diesem Arbeitsprozeß. Daß aber ein Gebiet sehr wichtig ist, das Gebiet der öffentlichen Meinung und Information. Und es wäre, ich weiß ja nicht, man kann immer wieder falsch verstanden werden, aber ich sag’s trotzdem, es wäre, glaub ich, uns allen eine große Hilfe – also ich meine uns jetzt als Partei –, wenn wir, nicht von heute auf morgen und nicht in einer Gewaltaktion, sondern in einem ruhigen, vielleicht sogar unauffälligen Prozeß, in dem zum Beispiel ich bereit bin, mitzuwirken, das allmählich schaffen würden, daß die Studenten an ihren Universitäten miteinander und mit ihren Dozenten offener reden können. Daß die Schüler in der Schule miteinander und mit ihren Lehrern in eine offene Kommunikation treten, weil nämlich unsere Argumente wirklich die besseren sind, davon bin ich überzeugt. Und was ich nicht versteh’, ist, warum die Lehrer, warum die Dozenten davon nicht überzeugt sind. Und diese Argumente nicht ihren Studenten nahebringen können. Ich erlebe es in jeder Lesung, die ich habe – ich hatte jetzt mehrere öffentliche –, daß man zu mir sagt: ja gut, was Sie hier sagen, das dürfte ich mir aber nicht leisten. Ich muß sagen, das hat mich mit der Zeit sehr bedrückt. Ich kann jedesmal sagen: Warum nicht? Was passiert dir? Und dann erzählen sie mir, was passiert. Und es passieren Sachen, die nicht jeder einfach auf sich nehmen will. Es passieren nicht die schlimmsten Sachen vielleicht, aber es will nicht jeder exmatrikuliert werden, wenn er irgend etwas kritisiert. Und es wäre wirklich gut, wenn wir das zum Anlaß nehmen würden, öfter miteinander zu sprechen. Ich meine es ganz ernst, ohne Hintergedanken, also im besten Sinne.
Becker:
Christa, du setzt einen Akzent, der mir nicht schmeckt. Ich will für meinen Teil erklären, daß ich keinen Sinn darin gesehen hätte, heute hierher zu kommen, nur um als ein Unbeschadeter aus diesem Vorgang herauszugehen, sondern ich hoffe und ich will und ich will’s immer noch erreichen – und ich bin überzeugt davon, daß das nicht aus der Welt ist –, daß dieser Beschluß rückgängig zu machen ist. Ich weiß nicht, welch ein Bedürfnis ihr habt, euch in dieser Richtung zu äußern – ich finde, diese Nummer darf nicht hiermit vorbei und erledigt sein, und jetzt wollen wir darüber beraten, wie wir das am schnellsten vergessen können. Ich bin nicht bereit, an dieser Nummer mitzuwirken.
Wolf:
Nee nee, Jurek, das habe ich nicht gesagt und auch nicht gemeint.
Heym:
Ich glaube nicht, daß Christa das gemeint hat. (Zu ihr:) Das war sehr gut, daß du das gesagt hast, ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich will noch einmal, damit keine Mißverständnisse entstehen, auf keiner Seite, das ergänzen, was ich zum 17. Juni gesagt habe. Ich erwarte nicht, wie ich vorhin schon angedeutet habe, eine Situation 17. Juni im Sinne von Bumm Bumm. Was ich meinte, ist diese Situation 17. Juni: Fehler machen, dann versuchen, Fehler zu korrigieren und sie auf falsche Art zu korrigieren, was dann zu Weiterungen führt. Man müßte sich darüber unterhalten, wie man den Fehler, der nun einmal gemacht worden ist, auf vernünftige Art korrigiert. Das war mein Argument.
Schlesinger:
Da sind zwei Punkte, das eine ist für mich die Ausbürgerungssache Biermann. Der Anlaß ist seine Veranstaltung. Ich muß sagen, ich verstehe euch nicht. Ich brauch’ keine Erklärung abzugeben, das hab ich oft genug gemacht. Ich bin freiwillig hiergeblieben in der DDR, bin zwar parteilos, aber ich habe immer, auch im Westen, für die DDR Stellung
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