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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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Titten.«)
    Meine Erinnerungen an den Abend sind verschwommen, aber ich sehe noch deutlich den Moment vor mir, als der hagere Typ, nachdem er den Rosenkranz seiner Erfolge heruntergebetet hatte, mit den Worten endete: »Und dann habe ich einen PhD bekommen, in Harvard.«
    »Oh Gott«, rief ich und schoss mitsamt meinem Stuhl zurück. »Das ist doch hoffentlich nicht ansteckend?«
    »Haha«, stöhnte er. »Was für ein Brüller.«
    Aber Eleonora lachte tatsächlich.
    Ab da sahen wir uns öfter.
    Bald würde sie meine Freundin werden.
    Danach dann meine Exfreundin.
    Ich ertappe mich dabei, wie ich an sie denke, als ich jetzt die Wohnungstür öffne, Richtung Bad gehe, den Koffer unter das Waschbecken stelle, die lindgrüne Mappe des Dreifürzwei-Project ins Bidet werfe und den Trenchcoat neben den Bademantel hänge. Jackett, Schuhe, Strümpfe, Hose, Krawatte, Hemd und Boxershorts landen im selben Tempo auf dem Boden, wie man braucht, um ihren Namen auszusprechen, und schon läuft warmes Wasser über meinen Körper, and just like the guy whose feet are too big for his bed vergesse ich Carugato, die Lokomotive, das Ufo, Venetien, Friaul, den Nordosten, alles.
    Ich verlasse die Dusche, schlinge mir ein Handtuch um die Hüfte, föhne mir die Haare trocken und werfe mich aufs Sofa, wo ich eine Mandarine schäle, mit dem Fuß eine Taste auf der Fernbedienung drücke und die Signora Susi kennen lerne, die ein Problem mit ihrem Ehemann hat, denn der ist impotent, aber die Signora Susi gibt nicht auf, und da ist auch schon Ehemann Pierino, der von seiner Frau – liebevoll – das Pendel genannt wird und keine Ahnung hat, dass er auf Sendung ist … Ton bitte … Pierino, hören Sie mich? Ich stehe auf und gehe ins Schlafzimmer.
    »Nein«, platzt es aus mir heraus. »Nein. Ich wusste es. Ich wusste es einfach. Sag mir, was ich nur mit dir machen soll, Arturo. Wo ist das Problem? Was stimmt bloß nicht mit dir?«
    Arturo antwortet nicht. Das tut er nie.
    »Nein, Arturo, ich bin nicht wütend. Komm her, los. Lass dich mal anschauen.«
    Ich schnappe ihn mir, hebe ihn hoch, drehe ihn in meinen Händen hin und her.
    »Arturo, es geht dir nicht gut. Wir haben schon zu lange gewartet. Tut mir leid, dass es so weit gekommen ist, aber jetzt ist es beschlossene Sache: Nächste Woche bringe ich dich zu meiner Familie. Nein, ich möchte keine Widerworte hören, da bin ich unerbittlich. Du brauchst Pflege. Und schau mich nicht so an, sonst werde ich noch ganz traurig.«
    Arturo ist mein Bonsai. Ich mag ihn sehr. Die Blumenhändlerin wollte ihn mir nicht verkaufen, und ich habe nicht verstanden, warum. Ich habe sie angeschaut und immerzu gesagt: »Ich will den hier.« Die Dame hielt den Topf fest und bewegte in schmerzverzerrter Wut die Lippen.
    »Wie viel … kostet der?«, fragte ich und gab mir Mühe, die Worte deutlich auszusprechen.
    Die Dame blieb reglos stehen, den Topf im Arm. Erst als ich mich schon damit abgefunden hatte, auf Plastikorchideen ausweichen zu müssen, und sie mir schnappen wollte, bevor die Frau auch nur Zeit haben würde, den Topf loszulassen, sagte sie plötzlich: »Sie müssen mir aber versprechen, ihn gut zu behandeln.«
    »Aber Signora«, erwiderte ich und breitete die Arme aus. »Natürlich werde ich ihn gut behandeln. Für wen halten Sie mich?«
    »Sagen Sie nicht natürlich «, beharrte die Frau und schlug mir auf den Handrücken. »Mit natürlich ist man immer schnell dabei. Dies hier ist eine wertvolle Pflanze. Wenn man sie mit der gebührenden Sorgfalt behandelt, kann sie sechstausend Jahre alt werden.«
    »Sechstausend Jahre?«
    »Sechstausend Jahre«, bestätigte sie, und in ihrer Stimme lag eine gewisse Bitterkeit.
    »Perfekt.«
    Ich zahlte, nahm den Topf und ging. An der Tür drehte ich mich noch einmal um. Ich schaute die Dame an, dann den Bonsai, dann wieder die Dame.
    »Ach, noch etwas.«
    »Ja bitte?«
    »Können Sie ihn mir einpacken?«
    Ich rannte hinaus und rief: »Das war ein Scherz, ich schwöre es«, während sich die Frau einen Strauß Nelken schnappte und aufgebracht schrie: »Wenn Sie ihn umbringen, müssen Sie sich vor Gott verantworten.«
    Jetzt, ein paar Monate später, schaue ich Arturo an: Er neigt sich nach vorn, die wenigen Blätter, die er noch hat, sind mit weißen und gelben Flecken überzogen, und selbst die krümelige Erde scheint krank zu sein. Auf der Kommode um den Topf herum liegen eingerollt die abgefallenen Blätter. Sechstausend Jahre , denke ich und streichle ihn sanft.

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