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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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Alltagsleben abgeschaut hatte – oder dem, was man für das Alltagsleben hielt, ein aufstrebendes Leben, ein Leben im Geiste der Achtziger. Die Drogenabhängigen mit ihren Spritzen in Szene zu setzen, schien bei all dem gesellschaftlichen Glamour und der hoffnungsfrohen Botschaft des Booms nicht opportun, und so konzentrierte man sich auf die privaten Feste und zeigte herausgeputzte Schaufensterpuppen, die sich königlich amüsierten, maßvoll tranken und stilvoll snifften. Die Schaufenster von damals kommen mir stets in den Sinn, wenn ich zwischen Schatten wie dem meinen stehe, in der einen Hand ein Sektglas, in der anderen ein Tellerchen, von dem ich Maccheroni unter den Hackfleischbällchen hervorzuangeln versuche, aber Acht geben muss, dass die Minipizza, die über der Rohkost schwebt, das Ganze nicht mit sich reißt – die heikle Architektur der modernen Cateringkultur. Irgendwann kommt dann der Moment, da der Verwegenste unter uns, während ein anderer noch von der Sitzung erzählt, in welcher …, diesen unterbricht und sagt: »So, jetzt reden wir aber nicht mehr von der Arbeit.«
    Prompt folgt Beifall.
    »Ah, richtig.«
    »Ja, genau.«
    »Stimmt.«
    »Verdammt, du hast Recht.«
    »Wirklich.«
    »Bravo.«
    »Das ist ja kein Leben mehr.«
    Dann kommt der Eifer zum Erliegen, und es folgt ein langes Schweigen. Der eine betrachtet seine Füße, der andere wischt sich einen Fleck vom Anzug, ein Dritter fächelt sich Luft zu, ein Vierter schaut jemandem nach, den er noch nie gesehen hat und jetzt wiederzuerkennen vorgibt. Bis plötzlich unverhofft Rettung eintrifft.
    »Ich hol mir etwas zu essen. Soeben sind die Focaccine aus dem Ofen gekommen.«
    Prompt folgt Beifall.
    »Ah, richtig.«
    »Ja, genau.«
    »Stimmt.«
    »Nein, Barbara«, sage ich und lehne mich zurück. »Du weißt, dass ich sehr gerne kommen würde, aber nächste Woche habe ich eine Sitzung. Den ganzen Tag. Jeden Tag. Dreifürzwei-Project. Die Engländer sind auch dabei. Da weiß ich schon jetzt, dass ich abends vollkommen am Ende sein werde. Rechnet besser nicht mit mir.«
    »Komm schon, Campi. Es ist der Abschiedsumtrunk von Achille, da kannst du nicht fehlen. Du weißt, dass ihm viel daran liegt. Du bist sein hübscher Knabe.«
    Ich beuge mich über den Schreibtisch und stecke den letzten Fusillo in den Mund.
    »Okay«, seufze ich. »Wenn es um Achille geht … Ich werde versuchen zu kommen.«
    »Und sag Giovannino, dass er eine Freundin mitbringen soll.«
    »Barbara.« Ich starre sie an. »Die Zeit ist um. Du kannst gehen.«
    Ich werfe die Plastikschachtel in den Papierkorb, wische ein paar Tomatenspritzer vom Schreibtisch und wende mich der Tastatur zu.
    »Noch etwas.« Barbara wedelt mit einem Blatt. »Such dir einen monicker aus.«
    »Einen was?«
    »Einen Spitznamen, ein Pseudonym. Das war Achilles Idee, es soll eine Art Maskenball werden. Wir lassen unsere Identität zu Hause und sind völlig frei, aus uns herauszugehen, ohne Konsequenzen, ohne Verantwortung.«
    »Tolle Idee, Achille. Die Identität bleibt zu Hause, und wir gehen aus uns heraus . Er möchte es vermutlich bei den Praktikantinnen versuchen.«
    »Ich finde die Idee gut.«
    »Was hast du schon auf der Liste?«
    »Nun …« Barbara hält das Blatt ins Licht. »Wir haben Anonymus Nummer 11, Pel, Lady GX, Venezianisches Mädel, Illegal Gatsby, Bardamu, Isdenora, Wahres Elefantenbaby, Lady Windermere, GionGion, Smith, Motorknaller, Chet Baker, Mia, Alien, Anwalt Samoano, Lordrichter, Zugführer … Wir werden die Rechtsverdreherkanzlei sein. Also, wer bist du?«
    Ich recke mich über den Schreibtisch und nehme das Italienisch-Englisch-Lexikon. Im Mittelteil ist die Rubrik mit den Namen. Ich sehe den ersten in der rechten Spalte.
    » Duchesne «, rufe ich.
    Barbara schaut mich verdutzt an.
    »Schön, geheimnisvoll. Duchesne , hör doch mal.«
    »Duchesne?«, fragt sie, als würde sie gerade aufwachen. »Gibt es den Namen denn?«
    »Klar.« Ich reiche ihr das Lexikon. »Schau selbst nach. Mit phonetischer Transkription.«
    Barbara kommt, greift nach dem Wörterbuch und wirft einen Blick hinein.
    »Campi.«
    »Was?«
    »Englische und amerikanische Nachnamen . Das ist, als würde ein Amerikaner Bortolini als Pseudonym wählen. Jetzt kommt Superbortolini, zittert vor mir .«
    Ich schaue nachdenklich in der Gegend herum.
    »Na ja, wenn’s dir gefällt.« Barbara wendet sich an Nicola. »Und du, Nicola? Was soll ich notieren?«
    »Condor.«

21
    Die Deadline für den ersten

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