Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
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Giuseppe ist nicht blöd und weiß genau, dass diese Marschordnung nicht einzuhalten ist. Das Zeitfenster wurde, d’emblée , am Telefon mit Donato entwickelt, und zwischen einem Da kannst du ganz beruhigt sein und einem Tschüss, alter Freund war es wichtig, den Mandanten nicht nur von unserem Eifer, sondern besonders auch von unserem Optimismus zu überzeugen.
»Dieses Stück Scheiße hat überhaupt keine Vorstellung davon, was wir hier machen«, sagte Giuseppe, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. »Aber es ist an uns, Endru, ihm zu beweisen, zu was ein echter Profi fähig ist.«
»Giuseppe.« Ich schüttelte den Kopf. »Diese Fristen können wir nicht einhalten.«
»Wir haben uns vermutlich nicht richtig verstanden. Dieser Mandant ist für uns nicht das Eis, das du genüsslich am Strand lutschst. Dieser Mandant ist so notwendig wie das täglich Brot. Niemand von uns hat Lust auf Fastenzeit. Wir werden alles aus uns herausholen – bis zum letzten Tropfen wird alles ausgequetscht.«
»Im Ergebnis sieht es wohl eher anders aus«, sagte ich geistesabwesend.
»Was?«
»Wir werden alles aus uns herausholen, und alles wird bis zum letzten Krümel zerquetscht.«
»Warum musst du nur immer alles so kompliziert machen? Warum? Und schalte nicht immer gleich auf Abwehr, Endru. Ich habe ein solches Vertrauen zu dir.«
Eleonora, meine Exfreundin, wurde aggressiv, wenn sie so etwas hörte.
»Das kann doch einfach nicht wahr sein«, sagte sie. »Das ist doch nicht professionell. In einer Welt, in der sich noch der letzte Kellner über dich lustig machen darf, wenn du zum Essen den falschen Wein bestellst, seid ihr die einzig verbliebene Berufsgruppe, die den Kunden noch für den König hält. Ausgerechnet ihr.«
Eleonora, die immer elegant gekleidet war und sich gewählt ausdrückte, war sich nicht zu schade, deutlich zu werden.
»Der Mandant lässt die Unterhose runter und schwingt seinen vergoldeten Pimmel, und siehe da, schon schmeißt sich der gesamte Berufsstand mit offenem Mund auf die Knie und reißt sich um die Beute. Greift zu, streichelt, liebkost, hingebungsvoll und gründlich. Hauptsache, sie entkommt nicht.«
Ich sah zu Boden.
»Abstoßend, was?«, fragte sie mich.
»Ja«, antwortete ich. »Aber nötig.«
Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass hinter jedem Profi eine lange Schlange anderer Profis steht, die alle nur auf seinen Job warten – »auf den Pimmel, wie du es nennst« –, sollte er sich einer Sache nicht gewachsen zeigen. »Für einen Anwalt ist der Mandant alles.«
»Klar, der Mandant«, fing Eleonora wieder an. »Der Mandant bedeutet Geld, und Gott allein weiß, wie viel Geld Giuseppe braucht: der Cayenne, das Segelboot, die Wohnung in Porta Venezia, die Kette aus Tahitiperlen für seine Frau, dann das Kind … Sind sie nicht für die Geburt nach Verona gegangen, in diese Klinik, wo man im Wasser entbindet? Zahlt alles der Mandant, klar. Und was landet in deiner Tasche? Im Grunde kann ich Giuseppe ja verstehen. Er sagt zu, und du darfst die heiße Kartoffel übernehmen. Aber was bleibt für dich?«
»Äh, für mich?«, sagte ich. »Mir eröffnen sich Perspektiven.«
»Hahaha«, lachte Eleonora. »Perspektiven.« Und das Gespräch war zu Ende.
»Andrea, sag bitte nicht, dass du an Eleonora denkst.«
Giovannino steht auf der Schwelle, drückt unentwegt auf den Knopf seines Kulis und wirkt aufgebracht.
»Eleonora wer?«
Giovannino zieht die Augenbrauen hoch und scheint nach der angemessensten Beleidigung zu suchen. Dann nimmt er wieder den ernsten Gesichtsausdruck an, mit dem er in mein Büro geplatzt war, und beginnt atemlos etwas zu erzählen, das ich zwischen den Flüchen und dem unaufhörlichen Klicken des Kulis als ein Unrecht identifiziere, welches ihm soeben widerfahren sein muss.
»Giovannino«, unterbreche ich ihn. »Mach halblang, sonst verstehe ich nichts. Da waren also ein Engländer, ein Franzose und ein Italiener. Und dann?«
»Leck mich.«
»Nun reg dich mal nicht auf. Man kapiert nur einfach nichts, wenn du wütend bist. Nicht dass man, wenn du zufrieden bist…«
»Hör zu, Andrea.« Er tritt näher und schließt die Tür hinter sich. »Mir reicht’s. Freier Mitarbeiter … Von wegen freier Mitarbeiter«, jammert er. »Wir bekommen ein Gehalt, immer dasselbe, Monat für Monat, und tarnen es hinter einer Rechnung, die wir – wir , verstehst du – ausstellen müssen, abgesehen davon, dass ich um neun im Büro sein muss, jeden Tag, eine Stunde
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