Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
versuche, ihn zu ermuntern.
»Valentina«, sagt er.
»Was ist mit Valentina?«
»Sie hat mich verlassen.«
»Ah«, rufe ich und zeige mit dem Finger auf ihn. »Da haben wir’s. Ich wusste es. In dieser Schale von Schwachsinn steckt im Kern ein Casanova. War mir vollkommen klar, dass da etwas läuft, war mir vollkommen klar. Du bist ein Mistkerl. Die ganze Zeit über lässt du kein Wort verlauten.«
»Da lief auch nichts.«
»Aber du hast doch gerade gesagt, dass sie dich verlassen hat.«
»Verlassen ist vielleicht nicht das richtige Wort. Wir haben nur miteinander geredet. Sie hat gesagt, dass ich ein netter Junge sei, aber sie will keine Komplikationen. Sie ist Sekretärin, ich bin Anwalt, und überhaupt sei das eine schwierige Situation. Außerdem empfindet sie nicht dasselbe für mich.«
»Das verstehe ich nicht ganz. Entschuldige, dass ich nachfrage, aber ist da nun etwas gelaufen oder nicht?«
»Wir sind ein paar Mal miteinander ausgegangen.«
»Und?« Ich lasse meine Hand kreisen, um ihn zu ermutigen.
»Und nichts. Sie hatte immer ihre Freunde dabei.«
»Habt ihr euch denn wenigstens geküsst?«
»Dazu gab es keine Gelegenheit.«
»Du willst mir also erzählen, dass du weinst, weil es mit einer Frau zu Ende ist, die du nicht einmal geküsst hast?«
»Sie war nett zu mir, lieb. Da war etwas zwischen uns, das habe ich gespürt.«
»Verdammt, Nicola. Wenn dich jemand nicht verprügelt, heißt das doch noch lange nicht, dass er dich liebt.«
»Das sagst du.«
Ich suche nach den richtigen Worten. Natürlich könnte ich meine Witzchen darüber reißen, aber ich möchte ihn nicht demütigen. Ich möchte ihn nur lächeln sehen.
»Komm, Nicola. Valentina kann uns gestohlen bleiben, und dieser Ort hier kann uns auch gestohlen bleiben«, sage ich und knalle die lindgrüne Mappe auf den Tisch. »Morgen fahre ich nach Dubai. Aber sobald ich zurück bin, gehen wir mit den anderen aus, einfach so. Wir machen einen drauf und amüsieren uns. Keine Arbeit, keine traurigen Gedanken. Du wirst sehen, dass sich alles einrenkt.«
»Danke, aber ich glaube nicht, dass es so einfach ist.«
»Aber klar doch. Weißt du, was wir machen? Wir gehen tanzen.«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Aber sicher doch. Wie war das noch? Baila adelante baila «, sage ich und reiße die Knie hoch, um es Nicola nachzutun, der mir letzte Woche die Tränen in die Augen getrieben hat. Ich muss wie ein Psychopath auf Ephedrin aussehen, denn Nicola kann sich ein Grinsen kaum verkneifen.
»Hör auf, Andrea«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Ich meine es vollkommen ernst. Wenn du ein wenig Anstand hast, hör bitte auf.«
Wir schauen uns an.
Dann brechen wir in Gelächter aus.
Draußen kreischen die Bremsen.
Auf einen Kaffee
»Und wie bist du mit deinem Mann verblieben?«
»Er bekommt das Haus in den Bergen und ich die Wohnung hier in Mailand.«
»Das ist doch genau das, was du wolltest.«
»Hätte ja wohl auch noch gefehlt, dass er Theater macht.«
»Die Sache war tatsächlich ein wenig dämlich von ihm.«
»Mehr als dämlich. Betrogen zu werden, okay. Aber mit einer Verkäuferin von Coop?«
»Das sind doch die mit den Plastikschürzen mit den Kügelchen.«
»Nein, das sind die von Pam.«
»Und wie sind die von Coop?«
»Nicht übel, muss ich sagen.«
34
… bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes.
Amen.
Giuseppe hatte eine Hand geöffnet, hatte ein paar Berechnungen gemurmelt und an den Fingern bis vier gezählt.
»Also«, hatte er dann verkündet. »Wenn wir nicht wie arme Schlucker bei ihrem ersten Flug zu früh kommen wollen, sollten wir um elf in Malpensa sein.«
Die Uhr am Eingang zur Abflughalle zeigt Punkt elf, als ich – das Herz bis zum Halse klopfend und der Magen auf die Socken herabhängend – aus dem Wagen steige, den die Kanzlei uns für die Fahrt zum Flughafen zur Verfügung gestellt hat, Donato, Giuseppe, Cardellini und mir. Wir hatten uns vor Donatos Hotel getroffen, wo ein schwarzer BMW auf uns gewartet hatte. Donato hatte sich neben den Fahrer gesetzt, einen Hünen mit gutmütigem Gesicht, der sich in aller Eile in einen engen, schwarzen Anzug gezwängt zu haben schien. Giuseppe, Cardellini und ich nahmen auf der Rückbank Platz. An der ersten roten Ampel schnaufte Donato. An der zweiten drehte er sich um und fragte nach der Uhrzeit. An der dritten machte er eine brüske Geste in Richtung des Hünen mit dem gutmütigen Gesicht. Der sagte kein Wort, stieg aus, klopfte an
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