Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Behaglichkeit. Die mit Koffern vollgepackten Karren, die Schlangen an den Kassen der Bars, die Familien mitsamt ihren hustenden Opas, die Plastiksitze und die Reinigungskräfte, die einen über ihre Wischlappen springen lassen, weichen einem Paradies von drahtlosen Netzen, roten Samtsesseln, Körben mit Croissants, Krügen mit Mango- und Ananassaft und musikalischen Highlights aus vergangenen Jahrhunderten. Ich setze mich auf ein Sofa und nehme wahllos eine Zeitung vom Tisch. Tiziano sieht sich um und entdeckt das Buffet.
»Das ist ja der reine Wahnsinn«, platzt es aus ihm heraus. »Schau mal. Ich hätte hier frühstücken können, statt für einen Cappuccino zwischen all den Menschenmassen sieben Euro auszugeben.«
Mein Missmut steigt, als er sich auf den Weg macht, um sich noch etwas einzuverleiben.
»Tiziano«, rufe ich ihm hinterher. »Denk dran, dass du im Flugzeug auch noch ein Frühstück bekommst.«
Tiziano bleibt irritiert stehen.
»Business Class«, füge ich hinzu.
Sein Gesicht leuchtet auf. Er schaut mich mit dem bewundernden Blick eines Menschen an, der in seinem Nachbarn plötzlich einen berühmten Schauspieler erkennt – oder wenigstens einen Abklatsch davon –, und setzt sich wieder neben mich. Während er die Eindrücke allmählich verdaut, schaut er mich immer noch an und fragt mich schließlich, wie oft ich denn so auf Dienstreise gehe. Ich setze wahllos eine Maske aus dem Repertoire der Ist-ja-wohl-nicht-so-wichtig- Mienen auf, während er sich verteidigen zu müssen glaubt und gesteht, dass es sein erstes Mal in der Business Class ist.
»Tja, Tiziano«, sage ich, wende mich wieder meiner Zeitung zu und warte mit einer gewissen Ungeduld, dass der Flug aufgerufen wird.
Im Flugzeug merke ich, dass ich mich geirrt habe. Wir fliegen nicht Business Class, sondern First Class, was bislang nicht einmal im Horizont meiner kühnsten Erwartungen existierte. Donato führt sich auf wie ein Sufi-Meister, der seinen Schülern eine mystische, für ihn allerdings routinemäßige Erfahrung gönnt, und geleitet Giuseppe ans Ende der großzügigen Flugzeugkabine, wo jeweils zu zweit und im Abstand von ein paar Metern ein Dutzend Sessel stehen. Mit einem einfachen Mechanismus – erklärt uns Donato – kann man die Fußstützen heben und die Rückenlehnen absenken und die Sessel in echte Betten verwandeln.
»Um zu schlafen«, sagt er. »Oder um sich noch ganz anderen Schweinereien zu widmen.« Er bricht in ein schallendes Lachen aus und beginnt gleichzeitig zu husten.
»Donato, Donato«, sagt Giuseppe. »Was wir uns nicht alles zu erzählen hätten, du und ich.« Dann gehen sie auf zwei Sessel zu und setzen sich nebeneinander.
Cardellini holt einen Stapel Papiere aus seiner Tasche, fragt, wo er den Stecker vom PC einstöpseln kann, und setzt sich neben einen Araber in Kaftan und Turban.
Ich schaue Tiziano an. Der Luxus der üppig mit Fernsehern, Telefonen, Tischchen und Teppichen ausgestatteten Kabine spiegelt sich in seinen glänzenden Augen.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragt ihn eine zierliche Frau mit nahöstlichen Zügen und holt ihn in eine Wirklichkeit zurück, von der er sich mit großen Schritten entfernt.
»Äh, wawas …« Er verhaspelt sich. »Was haben Sie denn?«
»Was auch immer Sie mögen. Cocktails, Weißwein, Rotwein, Liköre, Champagner …«
»Champagner?«, wiederholt er ungläubig.
»Sie wünschen Champagner?«, fragt die Frau unbeirrt.
»Ich …«
»Ein Glas oder eine Flasche?«
Tiziano schüttelt unkontrolliert den Kopf und lässt sich in seinen Sessel sinken. In seinen Augen macht sich eine wunderbare Leere breit.
»Fangen wir mit einem Glas an«, bringt er schließlich heraus.
Kurz darauf lasse auch ich meinen Sessel umklappen. Tiziano greift nach dem Handgelenk einer blonden Stewardess mit Hochsteckfrisur, hält es liebvoll fest und bedenkt sie mit seinem strahlendsten Lächeln.
»Wollen Sie nicht bei mir bleiben?«, ist der letzte Satz, den ich höre, bevor ich einschlafe.
Der Flughafen von Dubai ist ein Labyrinth von Duty-Free-Shops und Rolltreppen, Lampen und Rollbändern, und die gesamte Anlage erweckt den Eindruck, als hätte sich auch noch um den letzten Winkel eine ganze Schar von Designern gekümmert, die alle unter einer seltenen Form von Gigantomanie litten. Ich erhasche nur ein paar Momentaufnahmen, während ich zusammen mit der Gruppe hinter einem Mann herhetze – schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, schwarze Krawatte, schwarze Schuhe
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