Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
möchtest du nicht von vorne anfangen?«
»Nun«, schnauft er und setzt sich auf Nicolas Schreibtisch, der nichts sagt, sondern nur schnell sein Handy wegnimmt, damit es nicht zermalmt wird. »Lass uns den Gehirnzellen auf die Sprünge helfen. Das Dreifürzwei-Project läuft nicht optimal, das wissen wir alle. Ich möchte hier keine Schuldzuweisungen vornehmen, aber wir stehen nicht gut da. Wir liegen fast in allem hinter dem Zeitplan zurück und … Unterbrich mich nicht«, sagt er, als ich die Hand hebe, um daran zu erinnern, dass der Zeitplan von Anfang an unrealistisch war. »Es scheint«, fährt er fort, »dass man in Dubai ziemlich sauer ist, vor allem in den oberen Etagen. Mehr als sauer. Man hat darüber gesprochen, auch mit Meyon & Tolsen, und jetzt steht fest: Alle müssen hin. Alle fahren zum Firmensitz in Dubai – Du-bai –, bis die Geschichte abgeschlossen ist.«
Die letzten Worte spricht Giuseppe mit einem breiten Grinsen, das sein Gesicht zum Leuchten bringt.
»Moment mal, Giuseppe. Erklär mir doch mal bitte, wozu das gut sein soll. Was für einen Unterschied macht es für das Projekt, wenn wir nach Dubai fahren? Ist es die Seeluft? Ist es Donato im Bikini?«
Giuseppe schüttelt den Kopf und betrachtet mich nachsichtig.
»Warum musst du nur immer den Hanswurst spielen, Endru? Warum? Andererseits hast du absolut ins Schwarze getroffen. Donato im Bikini. Oder besser gesagt, in Unterhose. Wir werden auch noch von einem anderen Verhandlungspartner unterstützt werden, einem vertrauenswürdigen Verhandlungspartner. Dem Verhandlungspartner. In Wahrheit hat Donato nichts mehr zu bestellen. Sie lassen ihn der Form halber drin, aber er wird keinen Einfluss mehr haben. Unter uns gesagt, Endru, ich habe ihn immer schon für einen Idioten gehalten. Dazu sage ich nur ein einziges Wort: dead man walking .«
»Das waren drei.«
»Endru.«
»Entschuldigung.«
Giuseppe springt wieder auf die Beine und fuchtelt mit den Armen herum, als würde er tanzen.
»Wir müssen uns vorbereiten.«
»Und die due diligence ?«, wage ich zu fragen.
»Welche due diligence ?«
»Wie, welche due diligence ? Diese due diligence «, sage ich und nehme den Ausdruck der Daten, die Tiziano und Mantecato Cristoforis, Giorgio, in Treviso zusammengetragen haben.
»Ist die denn immer noch nicht fertig? Schluss damit, Schluss. Schmeiß die so, wie sie ist, in den Koffer, trommel die beiden zusammen und such einen aus, damit wir ihn mitnehmen und ihm das leidige Zeug aufbrummen können, cross reference , translation , clonation of paper . Hat mir wirklich gefallen, das mit dem clonation of paper .«
»Ach hier bist du, Giuseppe«, ist von der Tür her eine leise Stimme zu vernehmen. »Ich habe dich gesucht. Wo bekomme ich das Material von den bisherigen Vorgängen her?«
»Komm rein, komm rein«, sagt Giuseppe und gestikuliert theatralisch herum. »Ich bin gerade bei dem großartigen Endru. Du kannst dich direkt mit ihm absprechen, mit unserem besten Pferd im Stall.«
Cardellini tritt näher, einen noch eingeschweißten Block unter dem Arm.
»Was hat der denn damit zu tun?«, frage ich kühl, ohne den Blick von Cardellini zu wenden.
»Nein, Endru, bitte. Ich möchte dich nicht so vergrämt sehen. Cardellini hat die Geschichte von Beginn an mitverfolgt, denn er bringt die nötige Leidenschaft mit. Jetzt hat er von unseren kleinen Schwierigkeiten gehört und seine Hilfe angeboten, wie man es halt tut, wenn ein Freund in Not ist. Und was machen wir? Weisen die hilfreiche Hand zurück? Denken wir nur an die Botschaft der heiligen Mutter Teresa von Kalkutta.«
»Giuseppe«, sagt Cardellini und stellt sich neben ihn. »Ich und Campi haben zu Beginn des Projekts sogar schon einmal darüber gesprochen. Dann haben wir vor der ersten Sitzung noch einmal darüber gesprochen. Ich habe ihm meine Hilfe angeboten, aber er ist hart wie Fels und störrisch wie ein Maultier.«
»Unser Endru ist stolz, nicht wahr, Endru?«
Ich antworte nicht, sondern beiße mir nur auf die Unterlippe und schaue zwischen dem freudig erregten Blick von Giuseppe und dem zufriedenen Blick von Cardellini hin und her.
»Giuseppe«, bringe ich schließlich hervor. »Wie hattest du noch gesagt? Dead man walking? «
»Aber nicht doch, Endru, in diesem Fall ist das etwas anderes. Wir sind ein Team. Und wie in allen Teams ist manchmal eine Auswechslung nötig. Einen Mittelstürmer wie Cardellini auf der Bank zu lassen, wäre doch dumm.«
Er bläst die Backen auf,
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