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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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legt etwas Versöhnliches in seinen Blick und nähert sich meinem Ohr.
    »Und den Pokal, Endru – darauf gebe ich dir mein Wort –, den darfst du hochheben.«

33
    »Ich weiß es nicht.«
    Ich höre auf zu tippen, reibe mir die Augen und schaue Nicola an, der nervös auf seinem Stuhl hin und her schaukelt.
    »Was?«, frage ich.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ja, das habe ich verstanden. Aber was weißt du nicht?«
    »Das habe ich doch gesagt. Ich weiß es nicht.«
    »Nein, du hast gesagt, ich weiß es nicht , und daraufhin habe ich dich gefragt, was du nicht weißt. Ich weiß es nicht kann also nicht die Antwort sein. Was ist es also, das du nicht weißt?«
    »Hör zu«, sagt Nicola und zeigt auf seine Lippen. » Ich-weiß-es-nicht. «
    »Okay, vergessen wir das Ganze.«
    Ich fange wieder an, auf meiner Tastatur herumzuhacken. Das Geräusch kreischender Bremsen auf der Straße bezeugt, dass es draußen noch eine Welt gibt.
    »Ich bin müde.«
    Wieder unterbreche ich meine Arbeit. Ich schnipse mit den Fingern und schaue Nicola an, der jetzt seine Krawatte aufrollt wie eine Chamäleonzunge.
    »Los, sag schon. Was ist?«
    »Ich bin müde.«
    »Herrgott, Nicola, das habe ich verstanden. Aber warum bist du müde?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Bitte«, sage ich und lasse mich in meinen Stuhl sinken.
    »Ich weiß es nicht. Es gibt keinen bestimmten Grund dafür. Ich bin einfach müde. Das alles hier. Dieses Zimmer. Dieser Computer.«
    »Aber du bekommst doch bald einen neuen!«
    »Andrea.«
    »War ein Scherz.«
    »Ich denke schon eine Weile darüber nach. Das ist alles so … so absurd. Opfer, Verzicht, Müdigkeit. Ich frage mich, ob das alles die Mühe wert ist und auf was für einem Weg ich mich eigentlich befinde. Was mache ich hier, Andre? Warum mache ich es?«
    Was mache ich hier? Warum mache ich es?
    Ich versuche, hinter dem Fenster den nächtlichen Himmel zu erkennen, aber die Dunkelheit wirft nur das Spiegelbild der Deckenleuchten und das verschwommene Bild meines weißen Hemdes zurück. Vielleicht stimmt das Bild ja, und ich bin tatsächlich verschwommen. Einst war ich begeisterungsfähig. Ich kann mich noch an meinen ersten Lebenslauf erinnern, in dem ich unter dem letzten Punkt alle möglichen Zeitvertreibe und Vergnügungen aufgelistet habe. Außerberufliche Interessen. Das Epizentrum meines Lebens hat sich dann unversehens verlagert. Die Arbeit wurde meine Sonne, während alles andere unter Sonstiges fiel, ein wenig wie das zweite Getränk, das nicht in den Mahlzeiten der Vollpension enthalten ist. Mit der Zeit wurden die außerberuflichen Interessen auf die zweite Seite des stetig anwachsenden Lebenslaufs verdrängt und fanden sich einsam und verlassen hinter den Computerkenntnissen wieder. Aktualisierung folgte auf Aktualisierung, bis ich irgendwann einen Lebenslauf in den Händen hielt, der mit drei, vier leidenschaftslos hingeworfenen Wörtern endete, mehr schmückendes Beiwerk als sonst etwas. Heute gibt es die Kategorie außerberuflich nicht mehr. Das ist eine Frage der Ehrlichkeit.
    »He, was ist denn los?«, frage ich, als mich das Kreischen eines weiteren Bremsmanövers auf der Straße aus meinen Gedanken zurückholt. »He, Nicola.«
    Nicola, der große Junge mit dem Killergesicht, der Büronachbar, der den Raum mit seinen Flüchen erfüllt, weint lautlos vor sich hin. Reglos starrt er auf den Computerbildschirm, während ihm die Tränen die Wangen hinabrollen.
    »Nichts, gar nichts«, sagt er, wischt sich mit dem Jackettärmel das Gesicht trocken und starrt weiter auf den Bildschirm.
    »Das sollte ein Scherz sein, Nicola. Ich wollte dich nicht auf den Arm nehmen, wirklich. Natürlich ist es nicht immer leicht, aber jetzt komm schon, Kopf hoch. Und vor allem … nicht weinen … Bitte«, sage ich, gehe zu ihm und lege ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Nein, Entschuldigung. Es hat nichts mit dem zu tun, was du gesagt hast.«
    »Was ist denn dann los?«, versuche ich mit der nötigen Einfühlung zu sagen.
    »Es gibt da etwas …«
    »Erzähl es mir, wenn du magst.«
    »Nein, ich möchte dich nicht aufhalten. Es ist schon spät, du möchtest sicher irgendwann nach Hause gehen.«
    »Ach, was schert mich der Vertrag. Was wäre ich nur für ein Mensch, wenn ich für einen Freund nicht zwei Minuten Zeit hätte.«
    Freund . Es macht einen gewissen Eindruck auf mich, aus meinem Mund dieses Wort zu vernehmen, und das in Zusammenhang mit Nicola. Dabei meine ich es vollkommen ernst. Ich schüttle ihn sanft und

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