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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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Abfälligkeit.
    Das Essen nimmt seinen Lauf, die Gänge wechseln in schneller Folge, die Atmosphäre entspannt sich. Die anfängliche Steifheit weicht der Stimmung auf einem Klassentreffen viele Jahre nach Schulabschluss. Der Ingenieur ruft einen Kellner herbei und fragt ihn nach dem Rezept für die Jakobsmuscheln, weil seine Frau sie leider meist verdirbt. Cardellini verputzt Langusten und nickt bei jedem Satz, der in den Raum geworfen wird. Tiziano tippt auf seinem Handy herum und verschickt Nachrichten über das, was seinem Gesichtsausdruck nach weniger ein Essen mit Kollegen als eine drogeninduzierte Halluzination darstellt. Boraletti schweigt und versucht erfolglos, sich Mineralwasser ohne Kohlensäure bringen zu lassen. Giuseppe und Donato erzählen von Dienstreisen, auf denen man sich amüsiert hat, aber ja doch, und wie man sich amüsiert hat . Nathan trommelt auf dem Tisch herum und wiederholt die italienischen Wörter, die er versteht. Ich trinke Wein und habe einzig Augen für Emily, die in einem glänzenden Kleid aus violetter Seide dasitzt, manierlich isst, Worte und Lächeln dosiert und sich zwischen den Aufmerksamkeiten von Donato und Cardellini hindurchlaviert.
    »Emily«, versuche ich mich ins Spiel zu bringen. »Hast du die da probiert? Fantastisch.« Mit einem kleinen Löffel angle ich nach ein paar Riesengarnelen und lasse aus Versehen die Schale von einer Miesmuschel auf meine Hose fallen. Ich fange an zu stammeln, erfinde eine Entschuldigung und tupfe mit dem Zipfel einer Serviette an meinem Bein herum. Stumpfsinnig lächle ich vor mich hin.
    Auf dem Tisch wechseln immer noch in schneller Folge die üppig beladenen Platten – Garnelen wie Telefonhörer, wannenweise Austern, Arrangements von Gemüsen, die zu mythologischen Figuren zurechtgeschnitzt sind, eine Parade von chinesischen Marmeladen, goldene Federn dazwischen – und entfalten eine solche Pracht, dass spießige moralische Bedenken gar nicht erst aufkommen mögen. Das Niveau der Gespräche, die von neutraler Professionalität bestimmt waren, sinkt mit dem Nachschub an Flaschen und dem steigenden Alkoholpegel ins Bodenlose.
    »Für mich lassen sich die Frauen in fünf Kategorien einteilen – und ich bitte Emily um Nachsicht, falls das ein wenig derb klingen sollte: Fotze, annehmbare Fotze, annehmbare Tussi, geile Tussi, supergeile Tussi . Dann gibt es noch eine sechste Kategorie: die Schiffer . Wenn eine Frau die Schiffer ist, bedeutet das für mich den absoluten Gipfel, aber auf diesem Level haben wir dann nichts mehr zu bestellen. Es gibt nur wenige Frauen, die in die Kategorie die Schiffer fallen. Und kommt mir jetzt nicht damit, dass die Schiffer, also die echte Schiffer, ihre beste Zeit hinter sich hat. Schönheit kennt kein Alter, und die Schiffer, die echte Schiffer, steckt sogar die Campbell in die Tasche.«
    »Die Politiker sind alle gleich. Alle gleich. Und das sage ich nicht, weil ich was gegen Politik habe. Denkt nur mal an das Logo von Mondadori, einem rechten Verlag. Kippt es um neunzig Grad nach links, und was seht ihr? Ich sage euch, was ihr dann seht: das Logo von Feltrinelli, einem linken Verlag. Absolut bezeichnend.«
    »Ihr habt doch alle Jura studiert. Wie kommt es, dass bei uns der Rechtsverkehr so gut funktioniert?«
    »Ist euch schon einmal aufgefallen, dass Micky Maus genauso aussieht wie Minnie Maus? Nehmt Augenbrauen und Kleidung weg, und sie sind absolut identisch. Für Donald und Daisy gilt das ebenfalls, und auch für Kater Karlo und Trudi. Als wollte Disney eine rassistische Botschaft transportieren. Such dir Frau und Ochsen in deinem Dorf , wie man bei uns so schön sagt. So verkehrt scheint mir das im Übrigen gar nicht zu sein.«
    »Ich habe gehört, dass es hier in Dubai ein Etablissment gibt, wo man eine Auswahl der schönsten Frauen der Welt findet. Very beautiful women .«
    »Wenn jemand footing oder jogging sagt, ist mir sofort klar, ob er in England oder in Amerika studiert hat. Klare Sache.«
    »Glaubt ihr, dass man hier einen Limoncello bekommt?«
    »Madame Maîtresse heißt es. Das Etablissment, meine ich.«
    »Bum Bum Boris.«
    Eine Bauchtänzerin – der Saalchef klärt uns darüber auf, dass es sich um die Miss Libanon von 2006 handelt – begleitet mit geschmeidigen Bewegungen den Wagen mit der hausgemachten Nachspeise, einer Pyramide aus Datteln, Joghurt und Käse, die bächeweise mit Karamellsoße übergossen ist. Bei ihrem Anblick zeigt sich Giuseppe, dessen glänzende Augen mehr über

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