Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
verschwendet einen Gedanken daran. Cardellini schneidet Obst in Würfelchen und steckt sie einen nach dem anderen in den Mund. Donato und Giuseppe wechseln eigentümlich zufriedene Blicke. Tiziano leert gierig einen Teller, der von Gebäckteilen, Wurst, Fleischhäppchen in würziger Sauce, Meeresfrüchten und anderem überquillt. Er schaut sich um.
»Eine Frage mal«, sagt er plötzlich und versucht, die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich zu lenken. »Ist das Wasser in den Aquarien eigentlich Süßwasser oder Salzwasser? In dem Aquarium da hinten sehe ich nämlich etwas, das mir ein Steinbutt zu sein scheint, aber dann schwimmt da noch einer herum, von dem ich mir sicher bin, dass es sich um einen Karpfen handelt. Wie kann das gehen?«
Giuseppe schlürft genüsslich den Rest Kaffee aus seiner Tasse. Cardellini ziseliert an einer Ananas herum. Vom Buffet dringt das Geräusch splitternden Kristalls an unsere Ohren, dann eine Stimme: » Sorry, my fault. « Donato schüttet Zucker in seine Tasse und murmelt: » Sorry , du Sack.« Ich streiche Kastanienmarmelade auf ein Kamut-Blätterteig-Brötchen.
»Möglicherweise irre ich mich auch«, antwortet Tiziano sich selbst und stört die Ruhe.
»Ja«, sagt Giuseppe. »Möglicherweise.«
Am Tisch setzt das Geräusch träge mahlender Kiefer wieder ein. Irgendwann macht Giuseppe Anstalten aufzustehen. Sein Hintern schwebt schon in der Luft, als ihm etwas in den Sinn zu kommen scheint. Er setzt sich wieder und legt Donato eine Hand auf die Schulter.
»Nun, Donato, großer Donato. Was hast du mir zu erzählen? Wie ist es heute Nacht gelaufen, das closing ? Komm schon, gib mir ein feedback .«
»Das closing ?«, fragt Donato und runzelt die Stirn.
»Das closing , Donato. Das closing «, wiederholt Giuseppe und zwinkert plump. »Haben wir das target erreicht?«
»Ach so«, sagt Donato. »Das closing , natürlich.« Seine Augen glänzen plötzlich. »Ich würde sagen, ja. Es hätte allerdings besser laufen können, um ehrlich zu sein.«
»So geht es mir auch, Donato. Auch bei mir hätte es besser laufen können. Zu meiner Entschuldigung muss ich aber hinzufügen, dass sich die Geschichte auf einem hohen Niveau abgespielt hat. Es ist nicht immer leicht, bestimmte Standards einzuhalten, das wirst du mir zugeben, Donato, oder?«
»Absolut, Giuseppe. Höchstes Niveau, allerhöchstes Niveau. Stattlicher Preis im Ankauf, versteht sich, aber es waren auch beachtliche assets im Spiel.«
Der Schlagabtausch ist schnell und flüssig und wird von Gekicher begleitet. Tiziano folgt dem Gespräch verwirrt. Neugierig nähert er sich meinem Ohr.
»Von was für einem Projekt reden die denn da? Ich weiß von nichts.«
»Tiziano, um Gottes willen, meinst du das ernst?«
»Was?«
» Assets , Preis, closing . Jetzt füge nur noch Madame Maîtresse hinzu. Willst du mir wirklich weismachen, dass dir nicht klar ist, wovon die beiden reden?«
Tizianos Miene spiegelt die allerunschuldigste Gutgläubigkeit wider. Die Verwirrung auf seinem Gesicht, das sich von rechts nach links und wieder zurück dreht, lässt es geraten erscheinen, die Sache nicht zu vertiefen.
»Im Übrigen«, sage ich, »ist es Salzwasser oder Süßwasser, je nachdem, was für Fische man darin hält. Der da scheint mir jedenfalls kein Karpfen zu sein. Und wenn es einer wäre, würde er in Salzwasser nicht überleben. Das ist, glaube ich, eine Frage von Sauerstoff.«
»Aha.« Er seufzt. »Das dachte ich mir doch.«
»Guten Morgen, meine Herren.« Eine friedfertige Stimme unterbricht uns.
Ich drehe mich um und werde von dem Licht, das durch die Rundumverglasung fällt, geblendet. Erst in der Silhouette, die sich dunkel im Gegenlicht abzeichnet, finden meine Augen Schutz. Nach und nach werden die Umrisse deutlicher. Die Gestalt trägt einen Anzug von altmodischem, aber raffiniertem Zuschnitt, grobes Leinen, flaschenblau. Anfangs habe ich Schwierigkeiten, den Mann zu identifizieren, der sich mit einer angesichts des vornehmen Anzugs überraschenden Spontaneität unserem Tisch nähert.
»Guten Morgen, Herr Ingenieur«, beginnt Donato. »Sie sind offenbar in Hochform.«
»Mehr als in Hochform«, fügt Giuseppe hinzu. »Sie sind ein wahres Prachtstück, Herr Ingenieur. Ein Mann von Welt, was? Donnerwetter.«
Der Ingenieur wehrt ab, ohne verbergen zu können, dass er sich geschmeichelt fühlt. Er klopft unsichtbaren Staub vom Revers und zupft sein Einstecktuch zurecht.
»Der Dank gebührt meiner Frau«, sagt er. »Ständig
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