Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
beklagt sie sich über meine Kleidung. Dieser Drillich , sagt sie oft, immer dieser grüne Drillich. Du siehst wie ein Förster aus, dabei hast du doch studiert . Aber egal, ich mag es halt bequem. Diesmal hat sie allerdings darauf bestanden, den Koffer für mich zu packen, und heute Morgen habe ich dann selbst gedacht, dass man sich an Orten wie diesem anpassen sollte. Und ich muss sagen, meine Luisa hat die Lage richtig eingeschätzt.«
»Sie hat sie vollkommen richtig eingeschätzt«, stimmt Donato zu und steht plötzlich auf. »Und doch, Herr Ingenieur, muss ich leider sagen, dass mir ein paar Details überhaupt nicht gefallen wollen. Dieses Einstecktuch zum Beispiel ist wirklich provinziell. So etwas trägt nur ein Parvenü.«
Der Ingenieur ist wie vor den Kopf gestoßen.
»Entschuldigung?«, fragt er unsicher.
»Ein Parvenü«, mischt sich Giuseppe ein. »Ein Neureicher, ein Bauer, irgend so ein Flavio Briatore. Sie mögen uns weismachen wollen, Herr Ingenieur, dass man Eleganz kaufen kann, aber Stil hat keinen Preis. Wobei ich Flavio Briatore gar nicht so übel finde.«
Der Ingenieur gerät aus dem Tritt. Nachdem er sich unserem Tisch wie ein stolzer Stier genähert hatte, zittert er nun unter den Banderillas, die ihm Donato ins edle Fleisch stößt. Donato ist nur noch einen Schritt von ihm entfernt.
» Devil’s in the details «, doziert er, streckt eine Hand aus und zieht an dem Zipfel des weißen Taschentuchs, das aus der Brusttasche herausschaut. Ein trockenes Reißen, und Donato hält einen Fetzen Stoff in der Hand.
»Das …«, der Ingenieur wirkt jetzt hilflos, »… war kein echtes Tuch.« Er scheint um Entschuldigung bitten zu wollen.
Donato dreht sich zu Giuseppe um. Sie schauen sich an. Dann brechen sie in Gelächter aus.
»Sie sind wirklich ein Held«, sagt Donato und wirft das Einstecktuch in die leere Pampelmusensaftkanne.
Mit hängenden Schultern geht der Ingenieur zum Tisch von Meyon & Tolsen, den ich, seit ich gekommen bin, nicht aus den Augen verloren habe. Sobald ich sehe, dass Emily aufsteht und sich zum Buffet begibt, stehe ich auch auf, durchquere im großen Bogen den Saal und tauche just in dem Moment, als sie vor einer Joghurtschüssel stehen bleibt, hinter einer Säule auf.
»Weißt du, warum ich lache?«, frage ich und stütze mich auf den Tisch.
»Du wirkst gar nicht so, als würdest du lachen.«
»Äh, ja, nein«, stammle ich. »Das habe ich nur so gesagt.«
Emily lächelt, stellt das Schälchen ab und schaut mich an.
»Okay, warum solltest du also lachen?«
»Weil ich weiß, an was du denkst.«
»Ach ja?«
»Unbedingt.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Du denkst an das Essen von gestern und an all die Essen dieser Art, an denen du hier in Dubai teilzunehmen gezwungen sein wirst, wenn du nicht so-for-ti-ge Gegenmaßnahmen ergreifst.«
»Ich wette, du hast eine Lösung parat.«
»Du sagst es.«
»Wie lautet der Vorschlag diesmal?«
»Jonglierende japanische Köche.«
39
Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich in den nächsten neun Verhandlungsstunden meinen Gedanken nachschauen würde wie Hummeln auf einer Wiese, um sie gleichzeitig schön von mir fernzuhalten, während Giuseppe und Cardellini im Gleichschritt marschierten, um Boralettis Abwehr zu durchbrechen, die aus lauter Angst vor Rashid mehr als instabil war …
Wenn mir jemand gesagt hätte, dass sich Emily am Ende der Versammlung von allen verabschieden würde, weil sie für eine Präsentation von Meyon & Tolsen noch ein paar slides vorbereiten müsse und sich daher der sympathischen Truppe nicht anschließen könne, nur um dann zu mir zu kommen und mich zu fragen, wo sich dieser Ort denn befinde – welcher? –, der mit den jonglierenden japanischen Köchen …
Wenn mir jemand gesagt hätte, dass uns ein alter japanischer Koch mit einem langen, dünnen, in der Mitte geteilten Kinnbart, dessen Enden an den Ohrringen festgemacht waren, Fisch servieren und dabei so unbekümmert, wie ein Alter den Enten das Brot hinwirft, mit Messern um sich schmeißen würde, während ich Emily von einer convention unserer Kanzlei erzählen würde, mit der wir unsere Erfolge feiern und eine Zukunftsstrategie hatten entwickeln wollen, frei nach dem nicht übermäßig originellen Motto Die Zukunft beginnt vor der Haustür – Just do it! , wozu ich mich an einem Samstagmorgen mit einem Pulk von Profis in eleganter, aber sportlicher Kleidung wie zu einem Schulausflug in Bewegung gesetzt hatte, in den Händen das Programm und
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