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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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in Form zu bringen.
    »Die sind zu kurz«, sagt sie. »Sie bleiben nie, wo man sie haben will.«
    »Lass mich mal versuchen.«
    Wieder fahre ich ihr mit der Hand durch die Haare. Emily kommt näher und legt ihren Kopf an meine Schulter. Sie riecht gut. Ein paar Mal jault sie auf, dann schließt sie die Augen. Glaube ich zumindest. Aus meiner Position kann ich ihr nicht ins Gesicht sehen, aber ich bin mir sicher, dass sie die Augen geschlossen hat und lächelt. Ich strecke meine Hand aus und versuche vergeblich, vom meilenweit entfernten Teewagen am Bettrand eine Dattel zu angeln. Durch die offenen Fenster weht ein leichter Wind herein und bläht sanft die Gardinen auf. Im Halbschatten wirkt das Zimmer nicht mehr so groß und überkandidelt. Die Verzierungen an den Schränken scheinen Macken im Holz zu sein. Die Sessel lassen unter den gelben Samtüberwürfen die anonyme Form von Ikea-Sitzmöbeln erkennen. Die Bilder an den Wänden unterscheiden sich nicht groß von den Seiten, die man aus einem Wartezimmermagazin herausreißen könnte. Ein Häuschen am Lago d’Iseo würde nicht anders aussehen. Nur das Bett ist immer noch riesig und erweckt den eigentümlichen Eindruck, als wäre man selbst geschrumpft. Gemessen an diesen Dimensionen ist Emily nicht größer als ein Schirmständer.
    »Woran denkst du?«
    »Dass du nicht größer bist als ein Schirmständer.«
    »Aha. Sehr freundlich.«
    Ich nehme ihre Hand und küsse sie.
    »Es war nicht meine Absicht, etwas Unangemessenes zu sagen. Es ist nur … Wenn ich mich hier umschaue, finde ich das alles total sinnlos. Dieses Bett zum Beispiel. Vor allem, wenn du darin liegst. Mit meinem Leben hat das nichts zu tun. Statt Datteln und Langusten esse ich mit Arturo Pizza.«
    »Wer ist Arturo?«
    »Tja, Arturo. Den muss ich dir wirklich vorstellen, ihr würdet euch gut verstehen. Er ist allerdings ein wenig schwierig.«
    Emily richtet sich auf, stützt sich auf einen Ellbogen und mustert mich. Ohne zu lächeln aufzuhören. Dann lässt sie sich wieder auf meine Schulter plumpsen.
    »Wie bist du denn eigentlich in London gelandet?«, frage ich und betrachte jetzt wieder die Lichtreflexe an der Decke.
    »Karriere.«
    »Karriere?«, wiederhole ich überrascht.
    »Karriere ist ja wohl kein Schimpfwort. Gelegenheiten. Arbeitsmöglichkeiten. Wie vielen Mädchen im Alter von dreißig bist du schon begegnet, die …«
    »Frauen.«
    »Was?«
    » Frauen im Alter von dreißig. Nicht Mädchen .«
    »Kleiner Scherz, was?«, sagt sie und kneift mich in den Arm. »Wie vielen dreißigjährigen weiblichen Wesen bist du in Italien also schon begegnet, die Stellungen erreicht haben – und wenn du jetzt meinst, Witzchen machen zu müssen, breche ich dir die Knochen –, die denen ihrer Altersgenossen im Ausland vergleichbar sind, wie zum Beispiel in London?«
    »Ich verstehe vermutlich, was du meinst. Giuseppe hat nie etwas von weiblichen Kollegen gehalten. Er sagt immer: Man muss zwischen fahrlässigen Frauen und vorsätzlichen Frauen unterscheiden. Das ist, glaube ich, von Karl Kraus, aber aus dem Mund von Giuseppe klingt immer alles wie Popcorn aus der Mikrowelle.«
    »Giuseppe ist nur einer von vielen. Und er ist nicht einmal der Schlimmste.«
    »Also bist du gegangen.«
    »Vor vier Jahren«, sagt sie und rückt näher. »Und du?«
    »Ich bin acht Mal in London gewesen. Immer beruflich. Und nie habe ich etwas gesehen. Jedes Mal habe ich mir vorher einen neuen Reiseführer gekauft, Lonely Planet , Club Guide , Touring Club , Routard . Liegen alle bei mir rum. Ich habe sogar einen Stadtplan, den Eleonora selbst gemalt hat, mit rotem Filzstift. Sie hat ein Taschengeschäft eingezeichnet, das … Eleonora ist … Eleonora war … Vergiss es. Dann läuft immer alles ganz anders. Ich steige in ein Flugzeug. Lande. Nehme ein Taxi. Komme in ein Hotel, wo das Klo größer ist als mein Wohnzimmer. Frühstücke englische Würstchen und gummiartigen Käse. Betrete einen Sitzungssaal. Bleibe ein paar Tage drin. Kehre ins Hotel zurück. Steige wieder in ein Flugzeug. Kehre heim. Manchmal schicke ich mir selbst eine Postkarte.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich.«
    »Eigentlich wollte ich aber wissen, wie du in der Kanzlei gelandet bist. Warum machst du deinen Job?«
    »Inwiefern?«
    »Ist es die Leidenschaft fürs Rechtswesen? Oder das Geld? Oder der Erfolg? Es wird doch einen Grund geben.«
    »Warum fragst du?«
    »Keine Ahnung.« Sie scheint nach den richtigen Worten zu suchen. »Du wirkst nicht so, als

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