Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Frage.«
»Schieß los.«
»Warum machst du das alles ?«
»Damit er mit dem Arsch auf dem Boden landet.«
»Ich spreche nicht von dem Schreibtischstuhl, du Idiot. Alles, meine ich. Die Arbeit, die vielen Überstunden, der Verzicht …Warum machst du das alles?«
»Was ist denn das für eine Frage?«
»Ich bin nur neugierig. Belastet dich das nicht? Glaubst du nicht, dass …«
»Moment mal. Was willst du denn sonst tun? Den Hühnern den Hintern abwischen?«
Das sitzt.
Ich kratze mich an der Schläfe.
Den Hühnern den Hintern abwischen.
Das ist wirklich kein schöner Beruf.
Plötzlich bin ich erleichtert, und alles bekommt einen tieferen Sinn.
Giovannino schreit unterdessen Antonio an.
»Kannst du mir nicht mal helfen. Wenn jemand hereinkommt, wird er sich bestimmt fragen, was ich hier unten mache.«
»Komm schon, Giovannino«, mische ich mich ein. »Du bist einen Meter und ein paar Zerquetschte groß und kaufst Kinderkrawatten, damit sie dir nicht wie eine Federboa bis zu den Knien herabhängen. Wer soll den Unterschied schon groß bemerken?«
»Leck mich.«
Um zwei sitzen wir in der Versammlung, und schon zehn Minuten später steckt die Diskussion bei der black ball clause fest. Cardellini blättert lautstark in seinen Papieren und weist Giuseppe manchmal auf einzelne Wörter hin, woraufhin der widerwillig nickt. Boraletti berät sich mit Nathan. Ich suche Emilys Blick, sie sucht den meinen.
»Ja was denn«, sage ich heftig und schlage mit der Hand auf den Tisch. » Don’t trouble trouble trouble … Nein, wartet … Wie war das noch gleich?«
Fragende Blicke richten sich auf mich. Nur Emily senkt den Blick und lächelt.
»Endru«, zischt Giuseppe. »Was zum Teufel erzählst du da?«
»Keine Ahnung«, antworte ich und wende mich dann an alle: »Aber ja doch, wir reden hier von ungelegten Eiern.«
Giuseppe rückt näher. Sein Flüstern ist jetzt bohrend.
»Ich zerquetsche dir die Eier, wenn du dich nicht zusammenreißt. Es würde mich wirklich interessieren, was heute Nacht mit dir passiert ist. Diese gute Laune, dieser ganze Unsinn …«
»Einen kleinen Augenblick mal, einen kleinen Augenblick mal«, mischt sich Cardellini von der anderen Tischseite her ein. »Nur einen kleinen Augenblick mal bitte.«
Jetzt sind es schon drei kleine Augenblicke , denke ich, und vielleicht sage ich es auch, denn wieder drehen sich alle zu mir um.
»Kollege Campi ist wie gewöhnlich ein wenig unpräzise«, fährt Cardellini fort. »Was er sagen wollte, ist: Wir sollten die ratio bedenken, die der fraglichen Klausel zugrunde liegt. Rationale auf Englisch.«
Donatos Augen fangen an zu leuchten.
Hör mal, du kleines Stück Scheiße, shit auf Englisch , möchte ich schon sagen, als mir Giuseppe die Hand auf den Arm legt wie ein kleines Mädchen, das im Kino während des Vorspanns plötzlich Lust auf Popcorn bekommt.
»Endru«, säuselt er süßlich. »Während wir diesen Punkt klären, könntest du mir einen Riesengefallen tun. Keine Ahnung, wo Tiziano steckt, aber könntest du ein Dutzend Kopien von diesem side letter machen. Wenn wir den später diskutieren, haben alle meine Kommentare schön vor der Nase.«
Er drückt mir zwei zerknitterte Zettel in die Hand. Der Anhang 8.1 ist mit verschiedenen Randbemerkungen und verstreuten Kommentare wie Milan vor – Nieder mit Inter gespickt. Ich stehe auf.
»Sehr freundlich«, sagt Giuseppe.
Alle Augen folgen mir, und ich fühle mich plötzlich wie ein Kleidungsstück, das aus der Mode gekommen ist.
Bevor die Tür hinter mir ins Schloss fällt, dringt Cardellinis Stimme an mein Ohr.
»Perfekt. Dann können wir ja weitermachen. Wo waren wir stehen geblieben? Where we were? «
»Uèuèuè«, sagt Donato und klopft sich auf die Wange. »Zum Piepen.«
41
Dubai wurde nicht gebaut, um dort spazieren zu gehen.
In der exklusiven Gegend des Dionysus’ Ivy Hotel sind die Straßen nichts als breite Trassen, an denen sich Hotels, Casinos und Geldautomaten aneinanderreihen. Kein Platz, kein Denkmal, keine Bar mit Tischen auf der Straße. Ein riesiges, taghell erleuchtetes Vorstadtviertel.
Ich gehe immer den Laternen nach, alleine. Werbeplakate heißen mich in der Welt des Wohlstands willkommen. Ein Brunnen spritzt mich nass. Auf einem gewaltigen Bildschirm, der an einer metallenen Konstruktion befestigt ist – es könnte genauso gut eine Bank wie eine Moschee sein –, sind Szenen von einer Familie auf dem Golfplatz zu sehen: Ein kleiner Junge befördert unter dem
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