Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
passiert?
I want to wake up in that city that never sleeps
To find I’m a number one, top of the list, king of the hill
A NUMBER ONE …
Im Golden Breakfast Room herrscht allgemeines Gewusel. Als ich ins dritte Croissant beiße, stellt Giuseppe seinen großen schwarzen Kaffee hin und räuspert sich.
»Wie kommt es, dass du einen solchen Hunger hast?«
»Ich habe gute Laune.«
Giuseppe mustert mich misstrauisch.
»Du? Gute Laune? Was geht hier vor, Endru? Verheimlichst du mir etwas?«
»Nein, wieso? Darf ich keine gute Laune haben?«
»Sicher doch, sicher doch. Aber sonst wirkst du immer ein wenig wie ein gestrandeter Wal. Na ja, vergessen wir es. Wieso du allerdings gestern hinter diesen Säulen herumgehüpft bist und wie ein Irrer gelacht hast, das würde ich schon gerne wissen.«
Vor Schreck schießt mir der Kaffee in die Nase.
»Ich? Hinter Säulen? Nein, nein, nein«, wiederhole ich und stecke ohne ersichtlichen Grund einen Finger in die Sahneschüssel auf dem Servierwagen, den ein Kellner soeben vorbeischiebt. »Gestern war ich den ganzen Abend auf dem Zimmer. Mir ging es nicht gut. Hörst du nicht, dass ich ein wenig heiser bin?«
»Heiser? Endru, was redest du bloß für ein Zeug?«
»Wo ist denn überhaupt Donato?«, versuche ich, das Thema zu wechseln.
Giuseppe pustet gegen die Pflanze, die auf dem Tisch steht.
»Donato ist mit Cardellini weg. Ich seh schon, du hast die Mails von heute Nacht noch gar nicht gelesen. Das lässt sich ja gut an. Ich kann das Wichtigste aber noch einmal für dich zusammenfassen: Rashid trifft sich mit seinen Leuten. Die Sitzung wurde auf vierzehn Uhr verschoben. Den Vormittag haben wir frei.«
»Und wo sind die anderen?«
»Den Praktikanten habe ich nicht gesehen. Cardellini hat Donato gefragt, ob er ihn in die Mall of the Gods begleitet. Er möchte offenbar einen Teppich kaufen.«
»Einen Teppich? Cardellini kann doch nicht einmal eine asphaltierte Straße von einem englischen Rasen unterscheiden. Du magst ihn verteidigen, wie du willst, Giuseppe – die Erfahrung, der Einsatz, was auch immer –, aber dieser Typ ist ein Arschkriecher, wie er im Buche steht.«
»Bähhh.« Giuseppe dreht den Kopf weg. »Was für ein unerträglicher Gestank, Mamma mia. Der Gestank von morschen Werten. Arschkriecher . Was soll denn bitte schön ein Arschkriecher sein? Du bist ein aufgewecktes Bürschchen, Endru, und ich frage mich ernsthaft, warum du dich immer zu solchen Dummheiten hinreißen lässt. Was ist das für eine Reinheit und Würde, die du immer zu verteidigen müssen glaubst? Du klebst zu sehr an alten, verrotteten Maßstäben, lass dir das gesagt sein. Weg damit, radikal. Die Welt dreht sich weiter, und du hockst immer noch wie ein Japaner auf deinem Inselchen, weil dich niemand davon in Kenntnis gesetzt hat, dass der Krieg aus ist. Ich sage es dir hiermit: Der Krieg ist aus. Komm zurück, Endru, komm. Und fang endlich an.«
»Teppiche zu kaufen?«
»Modern zu sein.«
Das Echo der letzten Worte hallt noch nach, als Giuseppe sich erhebt. Er wischt sich mit der Serviette über den Mund und wirft sie auf den Tisch.
»Okay, ich gehe in die Sauna, um die alten Knochen aufzuwärmen. Punkt vierzehn Uhr, denk dran.«
»Punkt vierzehn Uhr.«
»Ach, Endru?«
»Was denn?«
»Irre ich mich, oder ist hinter den Säulen noch jemand herumgehüpft?«
Ich liege auf dem Bett, schlage die Zeit tot und warte auf Rashids Rückkehr und die tägliche Infusion an Zweifeln an der Möglichkeit einer besseren Welt. Zerstreut folge ich den bunten Bildern, die über den an der Wand befestigten Bildschirm laufen, nachdem ich erfolglos versucht habe, ihn auszustellen. Die Frage, die sich heute Nacht in meinem Kopf festgesetzt hat, summt jetzt wieder mit neuer Intensität darin herum: Warum mache ich das?
Ich strecke die Hand aus, nehme das Handy vom Nachttisch und tippe eine Nummer.
»Hallo, Andrea«, sagt eine Stimme, die ich kaum wiedererkenne. »Wurdest du schon von einem Kamel gefickt?«
»Ah, ganz der Alte. Hallo, Giovannino.«
»Klar ganz der Alte. Was denn sonst?«
»Keine Ahnung. Ich verstehe dich schlecht. Deine Stimme klingt wie ein Gurgeln.«
»Du erwischst mich nur gerade in einem ungewöhnlichen Moment. Ich hocke unter Nicolas Schreibtisch.«
»Was machst du denn unter Nicolas Schreibtisch?«
»Antonio ist auch hier. Nicola ist in einer Sitzung. Wir schrauben eine Rolle von seinem Schreibtischstuhl.«
»Das klingt vernünftig. Hör mal, Giovannino, ich habe eine
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