abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
unverdrossen Listen für ihre goldene Hochzeit schrieb? Und ausgerechnet ich soll es nicht gemerkt haben? Na ja, so viel hatte ich mit dem Rettich ja auch nicht zu tun gehabt. Wir hatten uns gut verstanden und gut zusammengearbeitet. Und wenn ein Projekt durch war, dann trennte man sich halt wieder, bis das nächste Projekt einen wieder zusammenbrachte. Aber auf seine legendären Gartenpartys zu Neujahr (Moonboots und Pelzmützen bitte selbst mitbringen!) war ich immer eingeladen gewesen.
Die beiden Damen steckten ihre Lippenstifte wieder ein und drückten mir, ohne mich eines Blickes zu würdigen, im Vorbeigehen je 20 Cent in die Hand.
Als ich die Toilettenräume wieder verließ, hatte ich innerhalb weniger Minuten drei feste Geliebte des Rettichs und eine Beziehung im Frühstadium kennengelernt, Coco war der Krebstod aus Gram in Aussicht gestellt worden, und insgesamt hatte ich zwei Euro eingenommen. Ehrlich verdientes Geld.
Ich hörte den Applaus der Gäste, die aus allen Ecken des Saales in Richtung Terrasse strebten.
Und dann sah ich ihn. Er stand mit seiner Hasselblad in der Hand an vorderster Front. Kein anderer Fotograf weit und breit. Ariadne stand neben ihm und erklärte ihm irgendwas. Dr. Thoma hielt die schwarze Kordel in der Hand, an der er in wenigen Minuten ziehen würde, um das Kunstwerk zu enthüllen. Mit der anderen hob er die Hand von Coco Reitmeier und berührte mit ihrem Handrücken sanft seine Wange. Sie lächelte ihn tapfer an. Möchte nicht wissen, was die Klatschpresse morgen draus gemacht hätte, wenn sie denn zugelassen gewesen wäre.
Der Knipser hielt ungeduldig eine Hand ausgestreckt, und sein nicht sehr gut dressierter Assistent reichte ihm endlich ein geladenes Magazin.
Ich hatte einen Schritt rückwärts gemacht und blieb hinter einem Riesenfarn stehen. Er bot zwar nicht so viel Schutz wie die Bodenvase, aber wenigstens ein bisschen. Die beiden Redaktionsschnepfen kamen herbeigetippelt und blieben direkt vor der Pflanze stehen. »Guck dir das an, wie der ihre Hand befummelt.«
Ich konnte mich jetzt entscheiden – weg von der tödlichen Duftwolke und rauf auf den Präsentierteller oder Deckung wahren und nicht mehr atmen.
»Ich hab’ gehört, Thoma geht zu seiner Luxemburgerin zurück. Die Chirurgin ist passé.«
»Was du nicht sagst. «
»Stand ja schon in der Bunten. «
»Ach, wie langweilig.«
»Ich habe gehört, diese komische Abendroth hatte was mit dem.«
Was?! Moi?! Mit wem?!
»Mit wem, Liebes?«
Danke.
»Na, mit dem Reitmeier.«
»Ach, wie kommst du denn da drauf? Ist die nicht in der Versenkung verschwunden?«
Versenkung? Ich?
»Ist sie. Total fett geworden, lebt jetzt wieder in der Provinz – was man so leben nennt. Ich hab’ gehört, die ist voll durchgedreht. Wohnt im Kellerloch.«
»Ach, die Arme.«
»Ich habe aber auch gehört, dass der Reitmeier ihr vor seinem Tod noch einen Job angeboten hat … warum wohl?«
»Pures Mitleid, würde ich sagen.«
»Mein Gott, was der Mann sich alles aufgeladen hat.«
»Sichere Quelle?«
»Ziemlich sichere Quelle.«
»Kann ja wohl nicht am Talent gelegen haben. Davon hatte sie nämlich so gut wie nix …«
»Ich weiß, komplett talentfreie Zone. Obenrum, aber wer weiß – untenrum? Ob der wohl wirklich mit der …?«
»Der Reitmeier war alles, aber nicht blind, Liebes. Der Mann hatte Geschmack! Ist bestimmt doch nichts dran an dem Gerücht. Stand ja auch gar nicht in der Bunten. «
»Aber dieser Fotograf, mit dem sie mal zusammen war, der hat das erzählt … letztens bei dieser Vernissage im Chelsea. Frag ihn selbst.«
»Wie gut, dass Coco die nicht eingeladen hat.«
»Also bitte! Warum sollte sie? Das ist doch hier keine Tupper-Party.«
Also, jetzt keinen Stress machen, du bist hier die Toilettenfrau, Maggie. Wenn’s hilft, dem Knipser zu entkommen, ohne gesehen zu werden, musste ich die beiden Zicken noch einen Moment ertragen. Ich wollte loslaufen, sobald Dr. Thoma an der Strippe zog. Dann wären alle Augen auf ihn gerichtet und ich könnte ungesehen verschwinden. Ich bin einfach nie da gewesen. Fertig.
Und weil Dr. Thoma immer sehr kurze Reden hält, war er auch schon dabei, das Kunstwerk zu enthüllen. Der Knipser, über seine Hasselblad gebeugt, drückte ab.
Coco wich vor dem Grabstein zwei Schritte zurück. Sie taumelte fast. Und bestimmt nicht vor Rührung. Das Ding war peinlich. Nicht, wie es gemacht war – es war geradezu perfekt in der technischen Ausführung. Peinlich war, was es
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