abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
kauf einen neuen Trailer für das Boot. Das Ding ist alt … et cetera, et cetera.«
Sie fuchtelte mit ihren schlanken Händen in der Luft herum. Ihre silbernen Armreifen klimperten. »Aber er hört ja nicht. Nie …« Sie strich sich fahrig eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hatte sich sofort wieder gefasst.
»Komm, ich will dich einer Freundin vorstellen. Sie ist extra hierher gekommen, und stell dir vor, ihre Freundin ist eine Künstlerin, sie hat den Grabstein …«
Sie hatte meine Hand genommen und mich einfach in den Saal gezogen. Eine Sekunde später schüttelte ich Ariadnes Pranke, und gleich darauf hatte mich die Forelle umarmt, die sofort stolz erzählte, dass Ariadne den Grabstein gestaltet hatte, der in wenigen Minuten enthüllt werden würde. Nachdem sie den kosmischen Zufall, der uns auf dieser Trauerfeier zusammengeführt hatte, mit vielen esoterisch-psychologischen Phrasen ausgiebig gewürdigt hatte, wurde ich darüber informiert, dass Coco Reitmeier Stammkundin von Dr. Casapietra sei. Madame Reitmeier, so erfuhr ich, absolviert einmal im Jahr ihre Kur in Bad Camberg. Natürlich in der Privatklinik von Prof. Casapietra. Aha! Daher also das Geld für den Ferrari. Progressiv entspannt, Herr Professor, Chapeau!
Ich hatte genug damit zu tun, meinen Mund nicht offen stehen zu lassen, und sagte gar nichts. Wie gerne hätte ich mich jetzt von einem Praktikanten von Pro7 darüber zutexten lassen, wie er das Fernsehen neu erfinden würde, wenn man ihn bloß ließe. Aber wie ich feststellte, waren Praktikanten hier ausnahmsweise nicht zugelassen.
Coco war inzwischen vom echten Dr. Thoma entführt worden. Ich sah sie draußen neben dem verhüllten Grabstein auf der Terrasse stehen und miteinander reden. Neben dem Kunstwerk stand auf einer Staffelei ein Portraitfoto vom Rettich in einem goldenen Rahmen, verziert mit einer schwarzen Schleife. Der Rettich auf dem Bild war genau so, wie ich ihn in Erinnerung hatte: ein strahlendes Lachen im Gesicht und die Dollarzeichen in den Augen.
Dr. Helmut Thoma war wesentlich kleiner als Coco und schaute zu ihr auf. Sein großflächiges Gesicht war in echte Sorgenfalten gelegt. Immer wieder schüttelte er betrübt seinen massigen Kopf. Dann nahm er ihre Hand und hielt sie lange fest. Tja, der alte Charmebolzen wusste noch, wie es wirklich geht. Er hob kurz das Tuch an, unter dem das von Künstlerinnenhand gestaltete Objekt für Rettichs Grab stand. Coco zuckte im selben Moment mit den Schultern, fast entschuldigend, dass sie ausgerechnet ihn bemühte, das Ding zu enthüllen.
Was sich unter dem Tuch abzeichnete, war ungefähr 1,80 Meter hoch und beinahe ebenso breit und hatte die Form eines Bootes. Ich hoffte für Coco, es würde nicht zu geschmacklos werden. Die Künstlerin hatte doch wohl hoffentlich kein 1:25-Modell von der Mörderyacht geklöppelt, um sie dem Rettich aufs Grab zu stellen? Wenn man sich den Butch so ansah, der sich gerade eine ganze California Roll in den Mund stopfte und sich danach die Finger ableckte, schwand meine Hoffnung, etwas Ansprechendes erwarten zu dürfen. Im Bad Camberger Wald mochte ihr robuster Stil ja noch gehen, aber hier? In Fernsehland …?
Als Ariadne einen der Kellner in nicht sehr freundlichem Ton zum Bierholen schickte, ließ ich die beiden mitten im Satz stehen und flüchtete auf die Toilette.
Ich kam gerade rechtzeitig, um eine Frau prahlen zu hören, sie hätte jahrelang mit dem Rettich eine Affäre gehabt, und sie sei die einzige, die wahre Witwe. Eine andere Frau in der Toilettenkabine daneben feuerte die Untröstliche mit »Ach, nein … du Arme … das wusste ich ja gar nicht …« an, weitere Details preiszugeben. Die Wasserspülungen rauschten synchron, dann kamen die Tratschtanten gleichzeitig aus den Kabinen. Aha, ich hatte doch richtig gehört, die Redaktionsabteilung von Grundy-Entertainment. Eine abgestanden-süße Duftwolke aus Poison, gemischt mit Jean Paul Gaultier Classique, vor sich her schiebend, gingen sie an mir vorbei, als sei ich unsichtbar, und plapperten vorm Spiegel weiter. Wenn es nicht so außerordentlich tragisch gewesen wäre, hätte ich laut loslachen können. Ich hatte nie den Eindruck gehabt, dass der Rettich ein notorischer Fremdgänger war. Aber wer konnte das schon wissen?
War es denn überhaupt möglich, dass Coco, die Schöne aus St. Tropez, wirklich seit Jahren die Auswirkungen von Rettichs Fremdgängertum auf ihre Nerven in Bad Camberg auskurierte, während der Rettich
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