abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
nippten wir an unserem Rotwein.
»Sag mal Maggie, hast du den Konstantin eigentlich jemals glücklich gesehen?«, fragte sie unvermittelt.
»Nee, wenn du mich so fragst. Er war irgendwie immer Konny. Ich kann gar nicht sagen, ob der jemals glücklich oder unglücklich war. Komisch. Wie kommst du jetzt da drauf?«
»Nur so. Ich überleg’ gerade, ob wir irgendwelche Freunde von ihm benachrichtigen müssen.«
»Kommt mir so vor, als hätte der nie Freunde gehabt.«
»Und wir?«
»Leute eben. Mit denen man die Langeweile vertreibt.«
»Nein, Maggie, das war nicht die Frage. Ich meinte, sind wir noch Freunde?«
Das nenn’ ich einen Konversations-Powerslide!
»Ich hoffe, wir sind es noch. Sind wir doch, oder?«
»Ich weiß es ehrlich nicht. Dein Ausraster wegen dem Knipser. Was du da über mich denkst. Mann, ich hab’ gedacht, wir kennen uns keine fünf Minuten. Ich dachte, du hast sie nicht mehr alle.«
»Du hast mir meine Frage nicht beantwortet. Hast du oder hast du nicht? In Rom! Vielleicht klärst du mich jetzt mal auf.«
Wilma nahm einen großen Schluck aus ihrem Weinglas und sagte: »Das ist es ja gerade. Wenn du unbedingt willst, dass ich dir diese Frage beantworte, dann sind wir keine Freundinnen mehr. Verstehst du das nicht? Wenn ich dir so eine Frage beantworten muss, will ich nicht mehr deine Freundin sein.«
Zu dumm. Die Argumentation war schlichtweg beängstigend schlüssig. Mein Magen machte einen kleinen Satz, und mein Herz klopfte heftig. Hier stand wirklich was auf dem Spiel, nämlich 31 Jahre Wilma und ich. Und angesichts des drohenden Untergangs trank ich noch einen Schluck Wein und sah meiner Freundin dabei zu, wie sie die zweite Flasche Roten aufmachte. Ich traute mich nicht, ihr ins Gesicht zu sehen, stattdessen starrte ich auf den Korkenzieher und wie der Korken langsam und allmählich immer weiter aus der Flasche gezogen wurde. Maggie, entscheide dich endlich, drängte meine innere Stimme. Bist du eine Freundin oder nicht? Macht es jetzt gleich nur Plopp, oder gibt es eine Explosion? Ich muss was sagen, aber dalli.
Als der Korken aus der Flasche kam, machte er gar kein Geräusch. Noch nicht einmal ein leises Plopp. Wilma war vom Sessel aufgestanden und stand mit der Flasche in der einen Hand, in der anderen den Korkenzieher, vor ihrem Wohnzimmerfenster und schaute hinaus. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu bewundern. Wie immer. 60 Kilo geballte, elegante Willenskraft. 182 Zentimeter Witz und Verstand. Am Fenster standen nichts weniger als 100 Prozent Wilma. 100 Prozent meine beste Freundin. Sie hatte mir den Rücken zugewandt und wartete auf ein Wort von mir. Hatte sie denn gar keine Angst?
Ich atmete ein und atmete wieder aus. Wilma bewegte sich nicht. Die Luft im Raum hatte aufgehört zu existieren. Wie lange kann man Fragezeichen atmen, ohne zu ersticken?
»Wilma, ich werde dich nie mehr danach fragen.«
»Wie schön.«
»Ja, wie schön.«
Sie kam auf das Sofa zu, stellte die Flasche auf den Tisch und legte den Korkenzieher daneben. Würden wir uns jetzt an den Händen fassen und im Kreis aufstellen? Es wurde nicht ganz so herzzerreißend – sie griff mir in die Haare und sagte: »Du hast Spliss.«
Wenn’s weiter nichts ist. »Mir egal.«
»Mir aber nicht. Du musst morgen gut aussehen.«
Bevor ich überhaupt Papp sagen konnte, hatte Wilma mich vom Sofa gezerrt, die Treppe runtergeschoben, das Licht im Salon angemacht, eine ihrer mörderischen Samurai-Scheren aus der Schublade geholt, mich in einen Umhang gewickelt und angefangen, meine Haare auf Vordermann zu bringen.
Manche Dinge ändern sich Gott sei Dank nie.
29
Der Stadtexpress kam mit 40 Minuten Verspätung in Köln an. Wilmas Bluse kniff unter den Armen. Aber egal – die Bluse war von Lacroix, und im Kragen prangte ein Etikett mit einem XS drauf. Wenn ich das Jackett nicht aufmachte, würde man statt der stark gefährdeten Knöpfe nur den edlen Kragen sehen, und das musste für heute reichen. Dafür sahen meine Haare aus wie aus der Vogue, und das war gut so, denn meine Stiefel waren etwas ramponiert – ich hatte die Bier- und Likörflecken nach der Orgie im Café Madrid nicht aus dem Leder rausgekriegt.
Als ich den großen Veranstaltungssaal im Maritim Hotel betrat, waren alle Lobhudeleien, Reden und Elogen vom großen Podest herunter schon gelaufen, und die Anwesenden mampften sich durch das Angebot von Sushi und mikroskopisch kleinen Kanapees. Man unterhielt sich gedämpft. Meines Erachtens
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