Abgeschaltet
sagen, wie groß dieser Einfluss ist. »Man hat den Wind noch nicht vollständig verstanden«, sagt Stephan Barth, einer seiner besten Kenner.
Weil man die Belastungen nicht genau kennt, ist es zudem schwierig, die Lebensdauer heutiger Meereswindparks vorherzusagen. Zwar können Bauingenieure Tragstrukturen und Maschinenbauer Getriebe auf 30 oder sogar 50 Jahre Standzeit auslegen. Voraussetzung ist allerdings, dass die einwirkenden Kräfte hinsichtlich Höhe und Dauer bekannt sind. Systematisch erforscht werden diese Kräfte und ihre Wechselwirkung mit den Windanlagen erst jetzt. Sobaut die Universität Hannover ein Testzentrum auf, in dem Tragstrukturen mit hydraulisch erzeugten Kräften belastet werden können. Im Zeitraffer kann man so Anlagen altern lassen und dabei ihr Verhalten beobachten. Das Ziel der Forscher: Komponenten so intelligent zu machen, dass sie ihr Alter und damit mögliches Versagen selbst erkennen können. Dazu gehört auch, dass man die Rotoren mit optischen Sensoren ausrüstet, die beginnende Risse erkennen und an die Leitstelle weitermelden. Bislang erfolgt diese Untersuchung alle ein bis zwei Jahre durch Wartungstechniker.
PERMANENT UND SYNCHRON. DAS NETZPROBLEM
Auf Kongressen und in Fachzeitschriften diskutieren Wissenschaftler intensiv darüber, wie die Windstromerzeugung besser auf das Stromnetz abgestimmt werden kann. Zum Teil ist das eine Frage der Übersetzung der Rotor-Drehzahl in die des Strom erzeugenden Generators. Der muss nämlich den passenden »Drehstrom« mit einer Frequenz von exakt 50 Hertz liefern. Um diese Gleichmäßigkeit trotz des launischen Windes einzuhalten, werden Getriebe eingesetzt (wie im Auto haben diese Apparate die an sich schlichte Aufgabe, eine Umdrehungsgeschwindigkeit in eine andere zu übersetzen). Weil Getriebe aber recht aufwändige und damit wartungsintensive Maschinen sind, gehen einzelne Hersteller andere Wege. Sie setzen sogenannte permanenterregte Synchrongeneratoren ein.
Permanent und synchron, das klingt gut. Um zu verstehen, was gemeint ist, muss man sich kurz mit Elektromotoren auseinandersetzen. Im Inneren eines Synchronmotors befindet sich auf einer Welle ein magnetischer oder magnetisierter Rotor, auch Läufer genannt. Um diesen Rotor herum sitzt der unbewegliche Stator, der bei Anlegen einer Spannung ein Magnetfeld erzeugt. Wie eine Kompassnadel richtet sich der Stator nach diesem Magnetfeld aus. Jetzt der eigentliche Trick: Die Spannung wird nicht nur an einem Punkt des Stators angelegt, sondern nacheinander an mehreren, wodurch die Pole des Magnetfeldes rundherum wandern und den Rotor mitziehen, synchron zur Ausrichtung des Magnetfeldes – etwa so, wie wenn man einen starken Magneten ganz gleichmäßig rund um einen Kompass führt und die Kompassnadel immer auf den Magneten zeigt. Man wandelt also Strom in Bewegung um, etwa um eineMaschine oder ein Auto anzutreiben. Glücklicherweise funktioniert das auch umgekehrt: Wird der Rotor angetrieben, etwa in einer Windkraftanlage, dann erzeugt sein Magnetfeld eine Kraft, die auf die Elektronen in den Statorpolen wirkt, sie beginnen zu wandern, Strom fließt. In diesem Fall spricht man von einem Synchrongenerator, der in beinahe allen Großkraftwerken zum Einsatz kommt.
Warum kann man aber auf ein Getriebe verzichten? Tatsächlich schwankt die Frequenz des erzeugten Stroms erheblich, allerdings kann man ihn erst durch einen Gleichrichter jagen, der Gleichstrom erzeugt, dann wieder durch einen Wechselrichter, der den Wechselstrom mit der genau passenden Frequenz erzeugt. Möglich ist dieser umständliche Weg, weil permanent »erregte« (also magnetische) Synchrongeneratoren mit sehr hohem Wirkungsgrad arbeiten. Ideal für eine Windkraftanlage, die gerade bei Schwachwinden die maximal mögliche Strommenge liefern soll. Außerdem sind diese Maschinen sehr verschleißarm und damit auf hoher See im Vorteil.
Dennoch hat jedes technische System auch Nachteile, in diesem Fall sind es die Materialien. Um die sehr großen Magnete im Rotor herzustellen, benötigt man mehrere Zentner Seltener Erden. Das sind Metalle, die gar nicht so selten vorkommen, jedoch nur in chemisch gebundener Form. Insbesondere das für starke Magnete besonders gut geeignete Neodym gilt als kritisch. 97 Prozent der derzeitigen Weltförderung stammen aus China, so dass die Europäische Union das Material auf eine Liste von 14 besonders kritischen Rohstoffen gesetzt hat – man befürchtet eine zu große Abhängigkeit von einem
Weitere Kostenlose Bücher