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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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mit dem deutsche Gewässer nicht aufwarten können. Eines Tages ist es vielleicht möglich, dass die Windkraftanlage gar nicht mehr im Boden verankert werden muss. Die weltweit erste schwimmende Anlage, genannt »Hywind«, testet Stateoil in Norwegen – 220 Meter über dem Meeresboden. Der Aufwand ist nicht unerheblich: Damit die Turbine mit einem Rotordurchmesser von bis zu 120 Metern auch bei schwerem Seegang nicht einfach umfällt, reicht die mit Ballast beschwerte Plattform bis in 100 Meter Tiefe und wird mit drei Stahlseilen am Meeresboden verankert.
    Die größten Bedenken gegen die Errichtung von Windparks im Meer kommen allerdings nicht von Artenschützern – sondern von »Landschaftsschützern«, die um die intakte Postkartenoptik des jeweiligen Küstenabschnitts besorgt sind. Nicht nur in Deutschland, auch in Workington gab es solche Stimmen. Ich versuche, mit dem kritischen Blick eines erholungssuchenden Touristen auf den Park zu schauen. Aber sosehr ich mich bemühe, die weit entfernte Anlage trübt meinen ästhetischen Genuss nicht mehr oder weniger als ein vorbeifahrendes Schiff. Abends fahre ich wieder an die Küste. Vielleicht wirkt der Windpark bei Sonnenuntergang bedrohlicher, unästhetischer. Doch noch immer genieße ich den Blick auf die irische See, hinter dem Horizont liegt Belfast. Der Wind weht so heftig, dass ich das Gesicht von der Seeseite abwenden muss, um atmen zu können. Was mich jedoch stört, sind die weniger als halb so großen, direkt an der Steilküste montierten Windkraftanlagen mit ihren lauten Geräuschen. Vielleicht müssen wir mehr in Alternativen denken. Bauen wir große Windkraftparks an einigen geeigneten Plätzen auf dem Meer? Oder viele einzelne Windkraftanlagen an jedem geeigneten Ort der Republik?
    Dass wir nicht hinter die Errungenschaften der Windkraft zurückfallen sollten, zeigt ein Blick auf die zwanzig Meilen südlich von Workington gelegene Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. Der letzte Schadensfall ereignete sich dort 2005, als über Monatehinweg unbemerkt 83000 Liter einer hochradioaktiven Flüssigkeit ins Meer geleitet wurden. In den Jahren 1965 bis 1985 floss sogar ganz offiziell radioaktives Wasser in die irische See. Und 1957 ereignete sich auf dem Gelände, auf dem damals ein Plutonium-Brutreaktor für britische Atomwaffen betrieben wurde, ein Brand, der zu den schlimmsten Unfällen der Nuklearindustrie vor Tschernobyl gezählt wird. Der eigentliche Skandal ist aber: Obwohl Milliardensubventionen in die Anlage flossen, ist sie wegen technischer Schwierigkeiten nie richtig ins Laufen gekommen. Aus aller Welt herbeigeschaffter Atommüll stapelt sich auf dem Gelände. Britische Regierungsmitglieder sprechen mittlerweile von der größten Fehlinvestition in der Geschichte Großbritanniens.
AUSGEFORSCHT? DIE ZUKUNFT DER WINDENERGIE
    Bei der Stromerzeugung aus Windkraft handelt es sich um eine reife Technologie. Reif in dem Sinn, dass sie zwar noch nicht mit längst abbezahlten Kohlekraftwerken konkurrieren kann, aber die Erzeugungskosten deutlich unter den Endpreisen liegen, die ein normaler Haushalt für die Kilowattstunde Strom bezahlt. Die Anlagenhersteller sind mittlerweile potente Industrieunternehmen – allein Weltmarktführer Vestas machte 2010 einen Umsatz von sieben Milliarden Euro. Zu den Anbietern gehören ferner Großkonzerne wie Siemens, die über riesige interne Entwicklungsabteilungen verfügen. Gibt es da überhaupt noch einen Bedarf für weitere Forschung?
    Und ob! Nach Meinung von Dr. Stephan Barth, Leiter des Forschungsinstituts ForWind, befindet sich die gesamte Windbranche noch im Stadium einer Manufaktur. Vor allem im stark wachsenden Sektor der im Meer gebauten Anlagen fehlten Standards. Dazu brauche man auch Forschung: »Man muss das ganze System von vorne bis hinten durchdenken.« Insbesondere müsse die Zuverlässigkeit noch deutlich steigen. Fakt ist, dass in vielen Bereichen der Windanlagenfertigung heute noch Handarbeit zählt. Nun sind die Stückzahlen, beispielsweise bei der Fertigung von Rotorblättern, deutlich niedriger als im Automobilbau. Dennoch wäre ein höherer Automatisierungsgrad erstrebenswert – wie er etwa im Flugzeugbau bei ähnlich kleinen Stückzahlen erreicht wird. Davon ist man jedoch noch meilenweit entfernt.
    Eines der wichtigsten Felder der Forschung ist die bessere Ausnutzung des vorhandenen Windes. Dazu sollen künftige Windkraftanlagen mehr über den Wind wissen. Nicht über den Wind, der die

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