Abgeschaltet
ist mir, dass wir mehr als 98 Prozent des tatsächlich vorhandenen Windes nutzen konnten, um Strom zu produzieren.« Ich frage, ob sie stolz sei. »Ja«, antwortet die Mutter zweier Mädchen, die als Maschinenbauingenieurin früher Kohle- und Gaskraftwerke optimiert hat. Sie könne mit ihrer Arbeit etwas gegen den Klimawandel tun, und spannend sei die Aufgabe ohnehin.
Das wird sie auch auf absehbare Zeit bleiben. Denn anders als bei Autos oder Kohlekraftwerken gibt es noch keine langjährige Erfahrung mit Hochsee-Windparks. Robin Rigg war eine der ersten kommerziellen Anlagen und soll für mindestens 20 Jahre Strom liefern, also bis 2030. Was wird als Erstes verschleißen? Sallys besondere Aufmerksamkeit gilt den Getrieben, die die Rotordrehzahl so übersetzen, dass der Generator mit genau der Geschwindigkeit läuft, die für die Wechselstromproduktion gebraucht wird. Vier Getriebe wurden mittlerweile ausgetauscht. Beim ersten Mal dauerte es acht Tage, bis die betroffene Anlage wieder lief. »Bei der vierten wussten wir vom drohenden Ausfall und konnten das Getriebe vorher tauschen.« Potenzielle Schwachstellen sind auf lange Sicht aber vor allem das Fundament und die Rotoren.
Manchmal treten auch Wartungsfälle auf, an die niemand vorhergedacht hat. So haben sich Kormorane die Außenleitern der Windkraftanlagen als Jagdsitz ausgesucht. Ihr Kot verschmutzt die Leitern so stark, dass eine sichere Nutzung nicht mehr möglich ist. Der Punkt »Vogelkot entfernen« wurde neu in den Wartungsplan aufgenommen. Der Naturschutzbund NaBu rief den Kormoran 2010 in Deutschland wegen seiner Gefährdung zum »Vogel des Jahres« aus. Dass er etwas so Unnatürliches wie eine auf See gebaute Windkraftanlage zu seinem Lebensraum erkürt, war nicht vorhersehbar. Ähnliche Erfahrungen machte der Betreiber des neuen Münchner Flughafens im Erdinger Moos: Nach Aufnahme des Flugbetriebs brüteten mehr Paare des in Bayern sehr seltenen Großen Brachvogels auf dem Gelände als je zuvor. Dennoch bedeuten die Meeres-Windparks natürlich einen Eingriff ins Ökosystem, der schon mit dem Bau beginnt. Die Fundamente der heutigen Anlagen werden in den Boden gerammt. Man darf sich das so ähnlich vorstellen, als ob ein Nagel in die Wand geschlagen wird. Nur dass für jede Windkraftanlage etwa 8000 Schläge benötigt werden, die in der Spitze einen Lärm verursachen, der in 750 Metern Entfernung noch bei bis zu 200 Dezibel liegt (die Schmerzgrenze für den Menschen beträgt etwa 130 Dezibel). Meeressäuger wie der Schweinswal werden vertrieben, was zu Forderungen nach einem Baustopp im Sommer geführt hat – obwohl gerade dann die besten Wetterbedingungen herrschen. Abhilfe könnten neue Verfahren schaffen, bei denen gebohrt anstatt gerammt wird. Das Bauunternehmen Hochtief und der Spezialmaschinenhersteller Herrenknecht entwickeln gemeinsam eine Vertikal-Schachtbohrmaschine weiter, die sich im Tunnelbau schon bewährt hat. Messungen an einem unter Wasser stehenden U-Bahn-Tunnel haben ergeben, dass sich der Schallpegel in 750 Metern Entfernung auf 117 Dezibel oder sogar noch weiter absenken ließe.
Ist die Anlage einmal in Betrieb, sind besonders gefiederte Wesen in Gefahr. Es scheint bei Vögeln Arten zu geben, den Seetaucher beispielsweise, die besonders empfindlich auf menschliche Störungen reagieren und selbst vor weit entfernten Schiffen oder Windkraftanlagen fliehen. Ihr Lebensraum wird also stark eingeschränkt. Ebenso gibt es Arten, die einfach nicht umsiedeln wollen, die Heringsmöwe etwa. Die geht dafür ein höheres Risiko ein, mit den Rotorblättern zu kollidieren. An Land sind Windkraftanlagen immer wieder ins Gerede gekommen, weil Greifvögel und Fledermäuse, relativ seltene Arten also, buchstäblich unter die Räder gekommen waren. Es lässt sich festhalten, dass keine Form der Energieerzeugung ohne Folgen für die Umwelt bleibt. Die Frage bestehtvielmehr darin, welchen Preis wir in Kauf nehmen wollen und welchen nicht.
Bei der Auswahl des Standortes für einen Meeres-Windpark sind Artenschutzkriterien ein wichtiger Faktor, nicht aber der einzige. Idealerweise ist ein gewisser Abstand zur ökologisch und touristisch besonders sensiblen Küste gegeben, gleichzeitig sollte der Park schnell zu erreichen sein, damit bei Störungen direkt reagiert werden kann. Einen wesentlichen Einfluss auf die Kosten hat, wie tief der Meeresboden an der gewählten Stelle ist. Eine Sandbank in einigen Meilen Entfernung zur Küste ist ein Glücksfall,
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