Abgezockt
entpuppte sich nun auch Josh Michaels. Es gab so viele Merkwürdigkeiten, die ihm im Lauf seiner Tätigkeit untergekommen waren. Der Mensch hörte nie auf, ihn zu verblüffen.
Aber dieses Treffen hier war etwas anderes – entsprach nicht ganz seinen Erwartungen. Seine Zielperson schien über die Frau nicht gerade erfreut. Der Profi sah Michaels den Arm zurückziehen.
Er weist ihre Annäherungen ab. Ist das Geld, was sie da austauschen?
Michaels wurde allmählich ein sehr interessanter Auftrag. Der Profi schlussfolgerte, dass die Frau doch keine Mätresse war. Vielleicht war sie es einmal gewesen, aber heute nicht mehr. Sah aus, als sei jetzt Erpressung angesagt.
Der Profi lächelte.
Das ist ein Ansatzpunkt. Mr. Michaels, Sie bieten mir reichlich Material.
Eine Idee keimte in ihm. Es wäre umständlich, aber wenn es klappte, dann wäre es auch sehr dramatisch und würde eine seiner ambitioniertesten Arbeiten. Er lehnte seinen Kopf an das Geländer des Eisbärgeheges – ein Mensch unter vielen, aber nur er betrachtete nicht das Tier.
Der Profi beobachtete, wie die Frau aufstand und von seiner Zielperson wegging. Es sah aus wie ein emotionaler Moment, und er wünschte, er könnte verstehen, was sie sagten. Nach diesem Auftrag würde er sich Lippenlesen beibringen lassen. Die Frau bewegte sich Richtung Ausgang, und er folgte ihr. Man konnte Michaels einstweilen allein lassen. Der Profi wusste erst einmal einiges Neue und wollte mehr über diese Frau erfahren. Unter Umständen wäre sie nützlich.
Sie stieg auf dem Parkplatz in ein schwarzes Chevy-Cobalt-Coupé, und der Profi folgte ihr mit seinem Taurus. Er folgte ihr auf dem Weg in den Norden der Stadt, zum Radisson Hotel. Am Eingang grüßte ein Portier sie, und als sie vorbeiging, begutachtete der Mann ihren Arsch. Der Profi, der in gebührendem Abstand folgte, wurde ähnlich begrüßt, nur ohne Arsch-Check. Die Frau ging zu der jungen Rezeptionistin.
Der Profi nahm ein paar Werbe- und Veranstaltungsblättchen aus dem Ständer und achtete darauf, in Hörweite der beiden Frauen zu bleiben.
»Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«, fragte die junge Frau am Empfang.
»Irgendwelche Nachrichten für Zimmer drei-null-sieben?«, fragte die andere.
Die Rezeptionistin sah nach und verneinte. Die Frau steuerte den Lift an.
Der Profi ging zu dem Kollegen der Empfangsdame, einem gelangweilt wirkenden Mann in den Dreißigern. »Entschuldigung, dürfte ich Ihre Toilette benutzen?«
»Ja, Sir, kein Problem. Gehen Sie beim Restaurant einfach nach links, dort ist sie gleich.« Der Mann beugte sich vor und deutete nach rechts, in Gegenrichtung der Fahrstühle.
»Danke«, sagte der Profi lächelnd.
»Keine Ursache, Sir.«
Der Profi entfernte sich auf dem beschriebenen Weg. Er schloss sich in einer Toilettenkabine ein und verweilte dort geraume Zeit, bevor er spülte und die Räumlichkeiten verließ.
Er kehrte an die Rezeption zurück. Der Mann, mit dem er vorhin gesprochen hatte, war gerade mit einem Gast beschäftigt. Daher trat er auf die junge Frau zu, die mit Josh Michaels’ heimlicher Geliebten gesprochen hatte. Sie lächelte ihn an.
»Entschuldigen Sie, es logiert hier eine Dame, eine Asiatin, auf Zimmer drei-null-sieben, Anfang dreißig. Ich bin sicher, ich kenne sie von einer Firma, in der wir Kollegen waren, und ich würde gerne wissen, ob sie es wirklich ist.« Es gelang ihm, alles auf einmal auszustrahlen: Seriosität, Ratlosigkeit und Liebenswürdigkeit.
Die Rezeptionistin sah in ihrem Computerverzeichnis nach. »Auf Zimmer drei-null-sieben wohnt eine Miss Belinda Wong.«
»Das ist sie!« Er strahlte.
Die Hotelangestellte strahlte zurück. Es war an diesem Tag wahrscheinlich das bisher interessanteste Ereignis.
»Haben Sie eine Karte mit einer Telefonnummer, unter der ich sie anrufen könnte?«
Die Angestellte nickte. Sie gab ihm ein Streichholzheftchen und zeigte ihm die Nummer auf der Rückseite. »Wählen Sie statt der letzten drei Ziffern einfach die Zimmernummer, und Sie werden direkt verbunden.«
»Vielen herzlichen Dank«, antwortete er mit unterwürfiger Freundlichkeit.
»Aber warten Sie nicht zu lang. Sie reist morgen ab.«
»Was Sie nicht sagen!« Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Wirklich vielen Dank nochmals für Ihre Hilfe.«
Der Profi marschierte zurück zum Parkplatz. Er würde morgen hier warten, um zu sehen, wohin diese Frau fuhr.
Er war noch nicht weit gekommen, da rief ihm die Rezeptionistin hinterher. Er
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