Abgezockt
Schloss, bevor Glasscherben klirrend auf den Vinylboden regneten. Sie sah die Gestalt auf sich zukommen, einen groben, unscharfen Umriss, wie das Michelin-Männchen. Nicht einmal jetzt konnte sie denjenigen erkennen, der da war, um sie zu töten.
Es stand schlimm um Margaret. Josh fiel neben ihr auf die Knie. Er bettete ihren Oberkörper auf seinem Schoß. Ihre Augen sahen ihn an, blicklos.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun? Was kann ich tun? Sagen Sie’s mir, Margaret.«
»Da haben Sie, was Sie wollten. Ich sterbe«, keuchte sie.
»Nein. Das wollte ich nicht. Ich wollte mit Ihnen über den Mann sprechen, der Sie anruft. Er verfolgt und bedroht auch mich.«
Die alte Frau starrte ihn mit leerem Blick an. Jetzt würde sie ihm gar nichts mehr sagen. Sie war totenblass, und ihr Atem kam nur stockend. Sie gehörte ins Krankenhaus. Aber das war nicht so einfach. Ohnehin schon als Drohanrufer unter Verdacht, war Josh nun bei ihr eingebrochen und hatte einen Herzanfall ausgelöst. Das würde vor den Bullen nicht gut aussehen. Er fluchte.
»Margaret, nehmen Sie irgendwelche Medikamente?« Sie hörte ihn anscheinend nicht. »Nehmen Sie irgendwelche Spritzen oder Tabletten? Gibt es irgendwen, den ich anrufen kann?«
Die Frau in Joshs Armen spannte sich an. Ihr Gesicht verzerrte sich. Ihre knochigen Hände ballten sich fest zusammen. Er hielt die Kranke so behutsam, als wäre es eine Bombe, deren Zeitzünder ablief. Speicheltröpfchen sprenkelten ihr Kinn.
Josh wusste nicht, wie er ihr helfen konnte.
Ihr letztes Wort war eine Anschuldigung. »Mörder!«
Dann gurgelte sie wie ein verstopfter Abfluss, und ihr Körper verkrampfte sich, ehe er still und regungslos liegen blieb. Josh wusste, er hielt eine Tote in den Armen.
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26
O Gott! Nein! Bitte seien Sie nicht tot.« Josh presste die zerbrechliche alte Frau an seine Brust. Er dachte nach. Was konnte er tun? Was sollte er tun? Er legte den Körper behutsam auf den Boden und begann mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Er hatte einen entsprechenden Kurs besucht, konnte sich aber jetzt ums Verrecken an nichts erinnern. Bei Gott, er hoffte, er tat das Richtige. Er bog den Kopf der alten Frau nach hinten, hielt ihr die Nase zu und machte Mund-zu-Mund-Beatmung. Nach mehreren Versuchen gab er es auf. Sie war tot. Es hatte keinen Zweck.
Mit zitternder Hand wischte er sich den Mund ab und versuchte zu schlucken, doch seine Kehle war trocken, und seine Zunge klebte am Gaumen. Er ertrug den leeren, starren Blick der Toten nicht und strich ihr mit der Hand über die Augenlider, um sie zu schließen. Dann kroch er auf allen vieren von der Leiche zurück und sank gegen das abgewetzte Sofa.
Er bemerkte die eintönige Stimme aus dem heruntergefallenen Telefonhörer, stand auf und ging zu dem Apparat, um den Notruf zu wählen. Seine Hand griff schon danach, da hielt er inne und zog sie zurück. Ihm wurde klar, was er getan hatte.
Schuldig. Josh war schuldig im Sinne der Anklage, die die Polizei gegen ihn erhob, ob vorsätzlich oder nicht. Er hatte Margaret Macey tödlich erschreckt. Ihr Herz war zu schwach gewesen. Die Bullen brauchten keinen rauchenden Revolver, um ihn hinter Gitter zu bringen. Josh hatte ihnen alles geliefert, was nötig war. Er hätte auf Kate hören und zu Hause bleiben sollen. Ein weiterer Fehler auf der länger werdenden Liste.
Mit ausdruckslosem Gesicht starrte Josh auf die Tote vor ihm. Er war gekommen, um ihr und sich selbst zu helfen, aber statt zu helfen, hatte er sie umgebracht. Wie lange würde sie ihm auf dem Gewissen liegen? So lange wie Mark Keegan? Wieder war ein Mensch durch Joshs Schuld gestorben.
Nach mehreren Minuten stand er auf und ging genau den Weg zurück, den er gekommen war, um seine Spuren zu verwischen. Er putzte alles ab, was er vielleicht angefasst hatte. Er wusste, es war nicht richtig, Margaret Maceys Leiche einfach liegen zu lassen, aber er wollte nicht derjenige sein, der die Tote gefunden hatte. Früher oder später würde jemand die aufgebrochene Tür bemerken.
Am Haus entlangschleichend, vergewisserte sich Josh, dass die Luft rein war. Dann lief er zu seinem Wagen, stieg ein und preschte los.
Der Profi erkannte die Gestalt, die in den Wagen stieg und davonfuhr.
Was hat Michaels bei Margaret zu suchen?
Es gab keinen Grund, weshalb seine Zielpersonen miteinander reden sollten. Hatte jemand einen Zusammenhang entdeckt? Wahrscheinlich Michaels, aber für ihn wie für die Alte war es bereits zu spät.
Während er
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