Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Grenzgebiet sein Heer zu verstärken. Konrad Kurzbold war in seine Grafschaft zurückgekehrt und erwartete ihn mit seinem Aufgebot an der Lahn. Auf der Straße nach Frankfurt stieß Graf Udo zu ihnen. Um Marschverpflegung aufzunehmen, entschloss sich der König, bei Mainz wieder über den Rhein zu gehen und kurze Zeit in der Pfalz Ingelheim zu rasten.
Dort erschien plötzlich Friedrich, der Mainzer Erzbischof. Otto empfing ihn sehr ungnädig als eifrigen Fürsprecher Eberhards des Treulosen, des zweifachen Eidbrechers. Friedrich gab sich betroffen und ratlos, erbot sich aber, die rebellischen Herren in Breisach aufzusuchen und gegebenenfalls zwischen ihnen und dem König zu vermitteln. Mit einigen Zugeständnissen, meinte er, werde sich ein Ausgleich finden lassen. Von Verhandlungen wollte Otto zunächst nichts wissen, schon gar nicht von Zugeständnissen. Aber er war sich mit dem Erzbischof einig, dass anderenfalls Blut fließen würde, was zu vermeiden sei. So gab er schließlich widerstrebend sein Einverständnis.
„Ich darf mich also um Vermittlung bemühen?“, rief Friedrich erfreut.
„Ja. Doch geht nicht zu weit!“, war die strenge Weisung des Königs.
„Ihr anerkennt aber, dass ich unabhängig verhandle … ohne Zwang, ohne Druck!“
„Ja, ja. Niemand soll denken, ich hätte Euch geschickt und Verhandlungen nötig. Aber nochmals: Geht nicht zu weit! Ich folge Euch über Worms und Speyer. Erwarte Euch in der Nähe von Straßburg.“
Otto vermied in diesen Tagen alles, was den Verdacht nähren könnte, er sei furchtsam und beunruhigt. Er hatte auch Grund zur |267| Gelassenheit. Beim Vorbeimarsch an Speyer war noch ein dritter fränkischer Graf, der junge Konrad vom Wormsgau und Speyergau, der Rote genannt, zu ihm gestoßen. Die Verstärkung, die er mitbrachte, war zwar nicht erheblich, doch es war damit erwiesen, dass es im fränkischen Kernland eine Gruppe von Amtsträgern gab, die sich der herzoglichen Gewalt, wenn sie sich gegen den König richtete, nicht beugen wollte.
Zudem war ein Bote eingetroffen, der die Ankunft Herzog Hermanns von Schwaben ankündigte. Otto hatte also drei Vettern Herzog Eberhards an seiner Seite. Die machtvolle Sippe der Konradiner, die noch zu Zeiten seines Großvaters seiner eigenen feindlich gesinnt war und das Ostfränkische Reich beherrscht hatte, war tief gespalten und einige ihrer besten und einflussreichsten Männer waren seine Parteigänger.
Schließlich meldeten die Posten an der Straße nach Erstein und Breisach die Annäherung des Erzbischofs und seines Gefolges. Otto streifte sogleich sein Panzerhemd über, gürtete sich mit Schwert und Dolch und befahl eine Heerschau in der Ebene vor dem Lager bei Zabern. Wieder handelte er nach seiner sich immer mehr verfestigenden Überzeugung, dass mit martialischen Gesten, mit einem gewaltig aufgetürmten Wolkengebilde von Drohungen ebenso viel, wenn nicht mehr erreicht werden konnte als mit Taten, deren Ergebnis unsicher war. Der so empfangene
mediator
würde zu hohe Forderungen der anderen Seite gar nicht erst vorbringen und später, dorthin zurückgekehrt, seine Eindrücke kundtun und Bescheidenheit anmahnen.
Der Wagen des Erzbischofs geriet gleich mitten hinein in einen Haufen von Panzerreitern. Die Zugpferde scheuten, gingen durch und mussten von den Knechten mit viel Geschrei und Knüppelhieben zum Stehen gebracht werden. Die beiden Insassen des Wagens, Friedrich und der Bischof von Straßburg, Ruthard, wurden durchgeschüttelt und hin und her geschleudert. Als das Gefährt endlich stand, kletterten sie halb tot heraus und wurden geblendet vom metallischen Glanz unzähliger Helme, Panzer, Schildbuckel, Schwerter und Lanzen. Auf seinem Rappen saß der König und hielt, in einer Hand den Zügel, mit der anderen zornig gestikulierend, eine Ansprache an sein Heer, von der ihnen der Wind einige Fetzen zutrug. Er donnerte gegen die „feindlichen Horden aus dem Westreich“ und gegen die „gottlose Verschwörung von Verrätern |268| und Eidbrechern“, die er „mit zu viel Milde und Langmut gewähren ließ“, die „keine Schonung“ verdienten und die man allesamt „in den Rhein treiben“ werde.
Anschließend gab es Reiterwettkämpfe und Waffenspiele, an denen sich Otto selbst beteiligte. Die beiden Bischöfe, um die sich niemand kümmerte, schlichen am Rande des Kampfplatzes, ständig Reitern, Speerschleuderern und Schwertkämpfern ausweichend, ins Lager zum Zelt des Königs, vor dem sie erschöpft und
Weitere Kostenlose Bücher