Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Indem du den Feinden von Frieden und Einheit, diesen gierigen, nimmersatten Herzögen, kriecherisch alles zugestehst, was sie wünschen? Indem du dir selber Sonderrechte genehmigst? Indem du den König – deine Obrigkeit, die von Gott ist! – schwächst und ihn zwingst, statt in Frieden als guter
pater familias
seine
familia
zu regieren und sein Reich einer Blüte entgegenzuführen, weiter mit seinem Kriegsvolk umherzuziehen, kreuz und quer durch die Lande … hier Feuer zu legen, dort Feuer auszutreten … und Asche und Rauch zu hinterlassen?“
„König!“, rief Friedrich verzweifelt. „Wie könnt Ihr meine Handlungen so schrecklich missdeuten? Mit diesem Vertrag würden alle Streitigkeiten erledigt. Genehmigt ihn! Lasst uns noch einmal gründlich über die einzelnen Punkte reden. Bedenkt …“
„Es gibt nichts zu bedenken!“, schrie Otto. „Nichts zu genehmigen! Nichts mehr zu reden!“
„Dann nötigt Ihr mich“, sagte der Erzbischof mutig, wenn auch mit bebenden Lippen und zitternden Händen, „zu einem Schritte, den ich vermeiden wollte und der mir nicht leicht fällt.“
„Was noch? Was noch?“
„Ich leistete einen Eid. Verpflichtete mich, dafür zu sorgen, dass das
pactum mutuum
in Kraft treten wird, so wie ich es ausgehandelt hatte – unabhängig, aber in Euerm Namen, in Euerm Sinne, wie ich glaubte. Und ich verpflichtete mich ferner, künftig an der Seite zu wirken, wo meine Tätigkeit anerkannt wird. Nur mit Gewalt könntet Ihr mich hindern …“
„Ah, das ist gut, das ist ausgezeichnet!“, rief Otto auflachend. „Das heißt: Wenn du mir diesen Schandvertrag nicht genehmigst, König, den ich ohne dein Wissen mit deinen Feinden ertüftelt habe, dann verlasse ich dich!“
„Es ist so Brauch, dass ein
mediator
…“
|273| „Ja, ja, es ist Brauch! Verschwinde nur, falscher Vermittler, mach dich davon! Halte dich treu an den Eid, den du dem zweimal Eidbrüchigen und seinen Genossen geschworen hast! Warum sollte ich dich mit Gewalt zurückhalten? Einer wie du ist den Aufwand nicht wert! Was suchst du hier noch? Es ist spät, man soll euch irgendwo unterbringen. Doch morgen früh …“
Mit einer scheuchenden Geste beendete der König das unangenehme Gespräch.
Die beiden Prälaten verneigten sich und verließen eilig das Zelt.
„Bischof Ruthard!“, rief Otto.
Der dürre, gebeugte Geistliche kam zurück und wartete mit ängstlich aufgerissenen Augen.
„Mein Kanzler Poppo ist krank“, sagte der König, der sich wieder in seinen Armstuhl geworfen hatte und die Beine ausstreckte. „Man musste ihn zur Ader lassen, er blieb in Ingelheim zurück. Es ist notwendig, denen in Breisach eine angemessene Antwort zu geben. Ich werde sie dir diktieren und du wirst sie überbringen. Bist du dazu bereit?“
„Gewiss. Wenn Pergament vorhanden ist …“
„Da liegt es doch, in der Ecke. Nimm die Rückseite oder wisch den verdammten Unsinn ab. Gunzelin! Tinte und Feder für den Bischof – und eine Kerze! Ich werde den Finsterlingen leuchten!“
43
Ottos zum mündlichen Vortrag durch Bischof Ruthard bestimmtes Schreiben war eine Kriegserklärung.
Der König lehnte die Ansinnen der Verschwörer als unerfüllbar ab und befahl ihnen, sich bedingungslos zu ergeben und sich seinem Gericht zu stellen. Seinen westfränkischen
Bruder
forderte er auf, unverzüglich die widerrechtlich eingedrungenen Truppen aus dem ostfränkischen Lothringen zurückzuziehen. Für den Fall, dass er bei seiner Ankunft vor der Festung Breisach, der diese Botschaft höchstens zwei Tage voraus sein werde, keine Bereitschaft zur Erfüllung der bezeichneten Forderungen erkennen sollte, werde er ohne Zögern Gewalt anwenden.
|274| Bischof Ruthard verließ das Lager in den frühen Morgenstunden in einem Wagen aus dem königlichen Tross. Sein Gefolge bestand aus Leuten des Königs, die sicherzustellen hatten, dass er sich ohne Verzögerungen und Umwege zu seinem Bestimmungsort begab. Vor der Abreise gelang es ihm aber noch, sich mit dem Erzbischof zu einer kurzen Unterredung zu treffen. Friedrich sagte ihm, dass er sich nach Metz zu den Verbündeten begeben und dort auf seine Rückkehr warten werde. Und dann teilte er ihm noch etwas mit, das vorerst ein Geheimnis war: Im Laufe der Nacht sei es ihm gelungen, von Zelt zu Zelt gehend wichtige Gespräche zu führen. Dabei habe er mehrere der hier zwangsweise als Vasallen im Lager des Königs anwesende Herren, vor allem Bischöfe und Äbte, aber auch einige Grafen und Vögte,
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