Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Odda?“
„Weil der kein Purpurgeborener war. Und weil er sie schon besaß – zu Unrecht.“
„Jetzt aber …“
„Jetzt bist du verpflichtet, sie ihm wieder abzunehmen. Das ist nämlich … ist ein Mysterium, meint er. Genau zwanzig Jahre ist es her … da brachtest du sie dem ersten Heinrich …“
„Und nun dem zweiten?“
„Das ist deines Amtes.“
„Und in weiteren zwanzig Jahren dem dritten? Dann bin ich weit über siebzig Jahre alt …“
„Vielleicht ist dir dazu ein ewiges Leben bestimmt!“
„Du meinst, um alle zwanzig Jahre einem sächsischen Heinrich … dem dritten … dem vierten … dem siebten … dem zehnten … dem zwölften …“
Die beiden Herzöge brachen in ein wieherndes Gelächter aus.
„Trinken wir auf mein ewiges Leben!“, schrie Eberhard und hob seinen Becher, „als Reichsinsignienüberbringer!“
Doch der Becher war leer. Herzog Eberhard sah sich nach den Wirtsleuten um.
„Wo seid ihr denn? Wein! Ich verdurste! Bringt mir …“
Das Wort erstarb ihm im Munde, als er plötzlich sein Gegenüber aufspringen sah.
„Was ist los?“, rief Herzog Giselbert. „Was willst du, Gondebaud?“
Zur Tür herein gestürzt war sein bulliger Gefolgsmann.
Er brüllte: „Herr, dort draußen – – –“
Doch da verdrehte er schon die Augen und brach neben der Tür zusammen.
Der Mann, der Gondebaud niedergestochen hatte, sprang zurück und es erschien, den ganzen Türrahmen einnehmend, Graf Udo von der Wetterau.
|305| Die Faust mit dem blanken Schwert vorgestreckt, warf er einen eisigen Blick auf Herzog Eberhard.
„So also sehen wir uns wieder, Vetter“, sagte er mit erzwungener Ruhe. „Endlich! Es wird Zeit für uns beide. Ich vertraute dir meinen Sohn an. Wo ist er jetzt?“
„Vetter Udo …“
Einen Atemzug lang ließ der Schreck den Herzog erstarren. Er war mit Giselbert, der totenbleich auf die Bank zurückgesunken war, allein in der Schänke. Die Wirtsleute waren verschwunden. Nur der Rabe flatterte auf und ließ sich auf einem Dachbalken nieder.
„Treulos und falsch bist du, Vetter Eberhard!“ Graf Udo sprang einen Schritt vor und jetzt donnerte er: „Nimm dein Schwert und verteidige dich!“
„Aber warum?“, rief Eberhard. „Was willst du von mir? Ich erkläre dir …“
„Nimm dein Schwert und zwinge mich nicht, dich abzuschlachten!“
Der Herzog erkannte seine Lage und gewann so viel Kaltblütigkeit zurück, dass er den leeren Becher fortwarf, aufsprang und nach seiner Waffe langte. Sie lag auf der Bank unter dem Mantel, den er erst wegreißen musste. Dabei fiel das Schwert polternd zu Boden.
„Heb es auf!“, befahl Graf Udo. „Und dann komm heraus. Dies ist nicht der richtige Ort zum Kämpfen. Heb es auf!“, brüllte er nochmals.
Der Herzog bückte sich rasch und packte den Griff des Schwertes.
„Vetter …“
„Kommt heraus! Alle beide! Ihr habt verloren! Folgt mir! Schnell, schnell!“
Graf Udo, noch immer den Arm mit dem Schwert vorgestreckt, wandte sich halb ab, um rückwärts hinaus zu gelangen und dabei nicht über den Leichnam neben der Tür zu stolpern. Den Augenblick der Unachtsamkeit suchte der Herzog zu nutzen. Rasch, doch zu hastig schlug er zu. Der Hieb, auf die Schwerthand des Grafen gezielt, war zu kurz geführt. Klirrend traf er unter der Parierstange auf.
Graf Udo sprang einen Schritt zurück und gleich wieder vorwärts.
„So bist du – heimtückisch, hinterhältig!! Du willst es nicht anders …“
|306| Er stach zu und traf Eberhard, den sein Hieb heftig nach vorn gerissen hatte, in die Schulter.
Dies weckte den Mut und die Kräfte des alten silberhaarigen Konradiners. Er begriff nun, dass er am Ende war, doch er wollte im letzten Augenblick seines Lebens nicht feige und ehrlos sein. Mit einem rauen Schrei stürzte er vorwärts. Graf Udo, sich der unerwartet heftigen Schläge erwehrend, wich durch die Tür der Schänke zurück.
Im trüben Dämmerlicht zeigte sich nun, dass hier vorher ein fast lautloser Kampf stattgefunden hatte, von dem drinnen nichts bemerkt worden war. Mehrere Tote lagen im Umkreis der Schänke auf dem Boden. Verwundete saßen dazwischen, wanden sich, stöhnten. Schwerter, Dolche und Lanzen in Bereitschaft, standen die Männer dabei, die die sorglose Wache der Herzöge angeschlichen und blitzschnell überwunden hatten. Graf Konrad Kurzbold hatte sich an der offen gebliebenen Tür postiert, um notfalls drinnen gleich eingreifen zu können.
Die beiden Vettern stürzten aus der Hütte
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