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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Herren dienen zu können!“, zirpte Liula. „Darf ich vorangehen?“

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    Die Schänke war nur eine Fischerhütte mit Schilfdach wie alle anderen in diesem ärmlichen Dorf am Ostufer des Rheins und unterschied sich von ihnen nur dadurch, dass sie etwas größer war, Raum für einen langen, roh gezimmerten Tisch mit zwei Bänken bot und die Herdstelle sich nicht in der Mitte, sondern in einer Ecke befand. Die Frau hatte aber nicht übertrieben: Es war wohlig warm, das Feuer prasselte unter dem Kessel, der an einer Kette vom Dachbalken hing, und es duftete angenehm nach gekochtem Huhn und frischem Weizenbrot, das man in einer der Grubenhütten hinter der Schänke gebacken hatte. An den Wänden standen Weinfässer aufgereiht und was sie hergaben, hatte nach dem Geschmack der Herzöge immerhin Ähnlichkeit mit dem edlen Tropfen der Klosterbrüder von der Yonne.
    Es gab keine anderen Gäste in der Schänke, und wenn es sie gegeben hatte, waren sie wohl von dem Wirt, der die hohen Herren buckelnd bediente, vor deren Eintritt hinausgeworfen worden. Es waren aber fast alle Fischer des Dorfes mit den Booten unterwegs und Händler gelangten an diesem Tag nicht über den Fluss oder mieden, falls sie von Osten heranzogen, die Nähe des räuberischen Heeres. Vor der Schänke wurden Wachen aufgestellt, die Befehl hatten, gleich Meldung zu machen, falls es noch unerwartet Schwierigkeiten und Unfälle oder irgendwelche ungewöhnlichen Vorkommnisse geben sollte.
    Die Herzöge legten ihre Schwerter auf die Bänke, warfen die Mäntel dazu und ließen sich einander gegenüber am Tisch nieder. Der fröstelnde Giselbert wählte seinen Platz so, dass er das Herdfeuer im Rücken hatte und dessen Hitze spürte. Gleich hob sich seine Laune und nachdem er den Wein gekostet hatte, ließ er ihn etwas anwärmen und mit Honig und Pfeffer versetzen. Eine heitere Unterhaltung entspann sich. Eberhard sprach mit mahlenden |303| Kiefern dem Huhn zu, befahl dem Wirt, immer wieder die Schüssel, die vor ihm stand, aus dem Kessel zu füllen und machte sich einen Spaß, indem er dem zur Schänke gehörenden zahmen Raben ein um das andere Mal ein Stück Brot, das der ihm stibitzen wollte, im letzten Augenblick, als der Schnabel schon zuhackte, fortnahm. Dieser Geschicklichkeitswettbewerb zwischen Mensch und Vogel war so komisch, dass sogar Giselbert gegen seine Gewohnheit in lautes Gelächter ausbrach. An der hübschen Wirtin hatte Eberhard seine besondere Freude. Er schäkerte mit ihr und kniff sie, was sie sich kichernd gefallen ließ, und er genoss, wenn sie sich beim Bedienen vorbeugte, den Anblick dessen, was hinter dem tiefen Halsausschnitt ihres Kleides zum Vorschein kam.
    Dann fanden die Herzöge auch für ihr Gespräch zum Wein ein Thema, das sie besonders erwärmte. Es war eines, auf das sie in den letzten Wochen fast täglich genussvoll zurückkamen.
    „Wie es jetzt wohl unserem Freund Heinrich geht?“, fragte Eberhard mit heuchlerischer Besorgnis.
    „Er wird sich inzwischen erholt haben und schon wieder das Maul aufreißen“, erwiderte Giselbert höhnisch. „Wird die Mönche von Stablo mit der Schilderung seiner Taten bei Birten und Merseburg unterhalten. Und er wird voller Ungeduld warten.“
    „Du meinst auf …“
    „ … die Reichsinsignien!“
    Beide lachten laut auf, der Scherz unterhielt sie jedes Mal prächtig.
    „Ich kann das noch immer nicht glauben!“, sagte Herzog Eberhard. „Wenn das sein seliger Vater wüsste … Der sträubte sich damals, als ich zu ihm kam, wollte nichts davon wissen. Hat er wirklich gesagt …?“
    „Wie oft soll ich es dir noch wiederholen! Der Prior meines Klosters Stablo ist ein biederer Kerl, ein bisschen einfältig, gar nicht imstande, so etwas zu erfinden. Dem sagte Heinrich, als er ihn im Heerlager abholte: ‚Pflegt mich gesund, Gott wird es euch lohnen. Ihr erhaltet dem Reich seinen Heldenkönig. Ich werde bei euch auf Herzog Eberhard warten. Der gibt Odda den Rest und nimmt ihm die Reichsinsignien ab.‘“
    „ … um sie ihm –
ihm
– zu bringen?“
    Eberhard krümmte sich vor Lachen, prustete, stieß glucksende Töne aus.
    |304| „Nun ja, er meinte …“ Giselbert kicherte mit bebenden Schultern. „Er meinte, dies sei … sei nun mal deines Amtes …“
    „Meines Amtes?“
    „ … als Franke … Vertreter des unterlegenen Stammes …“
    „Des unterlegenen?“
    „ … dem sächsischen König Zepter, Schwert und Krone zu bringen.“
    „Und warum brachte ich sie nicht dem

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