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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Änderungen in seinem Verhalten wahr. Gunzelin, der in diesen Tagen höchster Bedrohung die Nachtwache vor dem Zelt |311| des Königs keinem anderen überließ, wunderte sich nicht mehr als sonst über die endlosen Selbstgespräche, die Otto wachend oder im Halbschlaf führte und die gewöhnlich erst bei Anbruch des Tages versiegten. Nur ab und an, wenn er den König aufstöhnen oder gar einen Schrei ausstoßen hörte, verharrte er bei seinem Rundgang um das Zelt und lauschte eine Weile, doch dann vernahm er wieder nur halblaut und pausenlos aneinander gereihte, unverständliche Wortgebilde und Satzfetzen und beruhigte sich.
    Tagsüber, unterwegs, fiel höchstens auf, dass Otto zerstreut war und kaum zuhörte, wenn man ihm etwas mitteilte, dass er beim Brettspiel, wenn sie rasteten, recht unaufmerksam die Steine schob und dass er auf Späße und Scherze, denen er sonst nicht abhold war, kaum einging. Er trank in diesen Tagen auch mehr als gewöhnlich. Kein Wort verlor er jedoch über seine missliche Lage und schon gar nicht ließ er sich dazu herbei, mit den Männern seiner Umgebung Auswege zu erörtern. Er zeigte keine Angst vor plötzlichen Überfällen und lehnte besondere Vorkehrungen zu seiner Sicherheit ab, wenn sie durch dichten Wald ritten oder wenn eine die Richtung ständig wechselnde Straße den Zug so weit auseinander riss, dass zeitweise nur sehr wenige bei ihm blieben. Fast schien es, als legte er es darauf an, als reisender König, von Feinden oder Mordbuben im aussichtslosen Kampf überwältigt, ein rasches, zufälliges, blutiges, aber nicht unwürdiges Ende zu finden.
    Er ließ sich auch nicht anmerken, wie ungeduldig er auf einen Boten der beiden fränkischen Grafen wartete. Ruhig erteilte er seine Befehle. Und es gab, wie alle es kannten, seine gefürchteten, rasch aufflammenden und wieder verlöschenden Zornesausbrüche. Wie immer saß er, die wuchtigen Schultern vorgeneigt, etwas krumm zu Pferde, die Unterlippe und das breite Kinn vorgeschoben, die Miene reglos, düster und nachdenklich, die kleinen, funkelnden Augen beweglich und wachsam.
    Die Nachricht der beiden Franken vom gelungenen Vollzug dessen, was sie als königlichen Auftrag betrachtet hatten, brachte ihn ebenso wenig aus der Fassung. Wenn er Erleichterung und Genugtuung empfand, so zeigte er es nicht. Seine erste Anordnung nach dem Empfang der Botschaft betraf eine Messe für das Seelenheil der beiden ums Leben gekommenen Herzöge, an der er selbst in der Pfalzkapelle teilnahm.
    |312| Erst danach erkundigte er sich nach Einzelheiten. Der Bote, ein Gefolgsmann Konrad Kurzbolds, war Zeuge sowohl des letzten Kampfes Herzog Eberhards als auch der unglücklichen Rheinüberfahrt gewesen, die Herzog Giselbert das Leben gekostet hatte. Voller Bewunderung sprach er von Eberhards heldenmütigem Widerstand, eher verächtlich von Giselberts Fluchtversuch. Der Herzog von Lothringen musste sich, als aller Aufmerksamkeit dem Kampf der konradinischen Vettern galt, aus der Schänke gestohlen haben und zum Rheinufer hinunter geeilt sein. Am nächsten Morgen, fügte der Bote hinzu, seien mehrere Leichen von bei der Überfahrt Verunglückten angeschwemmt worden, doch die des Herzogs sei nicht dabei gewesen. Unmöglich aber sei es, dass er überlebt habe, denn einige seiner Leute, die ihn näher kannten, hätten versichert, dass er nicht schwimmen konnte.
    Der Bote berichtete dann noch, Graf Udo habe einen Schwerthieb ins Gesicht bekommen und die Nacht nach dem Kampf in der Fischerschänke verbracht. Doch sei er am nächsten Morgen wieder auf den Beinen gewesen und mit seinen Leuten Graf Kurzbold über den Rhein zur Pfalz Andernach gefolgt. Dort sei man auf Tote und Verletzte gestoßen, denn die ganze Nacht lang habe es unter dem Kriegsvolk der Herzöge Streit um die Beute gegeben. Kurzbold, dessen Grafschaft Niederlahngau am schwersten heimgesucht worden war, habe noch etwas retten wollen, doch hätten sich nur noch wenige wertlose Gegenstände gefunden. Die Sklaven, das Vieh, die Truhen mit Gold und Silber – alles sei fort gewesen. Noch in der Dunkelheit und gleich nach Sonnenaufgang seien alle, die sich glücklich versorgt hatten, davongezogen und in alle Winde zerstoben.
    „So musste es kommen, ich sah es voraus“, sagte der König später zu Hadalt. „Sind die Köpfe erst ab, ist nichts mehr zu befürchten. Es war ein Aufruhr der Herren, nicht der Vasallen. Gefahr ging nur von den Herzögen aus. Eine nützliche Lehre, aber eigentlich wussten wir

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