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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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eigenes Herzogtum wieder fest in die Hand zu bekommen. Noch stand der verfluchte König Ludwig mit seinem Heer mitten in Lothringen bei Metz, er musste ihn loswerden und in sein Königreich zurückdrängen. Dazu brauchte er die Unterstützung der lothringischen Großen, vielleicht auch der mächtigen Westfranken Hugo Magnus und Heribert von Vermandois, denen allen er klar machen musste, dass sein Treueschwur in Verdun nur eine taktische Maßnahme war, um Ottos Würgegriff zu entkommen. War er erst wieder unabhängig, hatte er glänzende Aussichten. Entweder ließ er sich zum König Lothringens wählen – oder er griff noch höher, zur Krone des Ostfrankenreiches. Denn dass Otto nach der großen Königsverlassung durch seine sächsischen Vasallen bei Breisach, von der sie vor einer Woche erfahren hatten, trotz seines Sieges bei Birten am Ende war – darüber war er sich mit Eberhard einig. Auf diese glückliche Fügung hatten sie in den letzten Tagen manchen Becher gehoben.
    Giselbert ließ dem silberhaarigen alten Großsprecher, der sich unten am Ufer um seine Beute sorgte, gern den Anspruch, König zu werden. Er bestärkte ihn sogar darin, damit seine Tatkraft, die jetzt gebraucht wurde, nicht so plötzlich wieder erschlaffte, wie sie erwacht war. Später würde man sehen, ob nicht ein knapp vierzigjähriger König einem im hohen Alter von weit über fünfzig Stehenden vorzuziehen wäre. Giselbert nahm sich vor, seine aus zwei Grafschaften und sieben Abteien gezogenen gewaltigen Reichtümer nicht zu schonen, um sich die einflussreichsten Großen im Reich geneigt zu machen. Auch von den Beutestücken dieses Raubzugs würde er nichts für sich behalten, sondern alles zu diesem guten Zweck verwenden.
    Er beobachtete, wie unten am Ufer seine Gefolgschaftsführer Raoul und Gondebaud ein paar Knechte anbrüllten, die eine Kiste nicht sorgsam genug in einem Boot verstaut hatten. Der Herzog |299| kannte den Inhalt dieser Kiste: Es war die vollständige Ausstattung mehrerer Eigenkirchen reicher fränkischer Grundherren. Der neue Freund Eberhard hatte sie vor zwei Tagen in der freigebigsten Weinlaune Giselberts Anteil zugeschlagen.
    Ein Lächeln boshafter Befriedigung glitt über das blasse, spitze Gesicht des Herzogs. Nicht beim Goldschmied würden die goldenen, silbernen und reich mit Edelsteinen verzierten Geräte und Gefäße ankommen, damit er sie zu Schmuckstücken für die Herzogin Gerberga verarbeitete. Nichts würde sie von der Beute erhalten, die schamlose Dirne! Nicht einen Ring, nicht eine Perle! Mochte sie wüten, mochte sie zetern, ihn wieder der Grausamkeit und Gefühlskälte bezichtigen! Er hatte sie jetzt in der Hand. Es gab Zeugen für ihren schändlichen Ehebruch – es war geschehen, auch wenn sie ihr Geständnis zurücknehmen sollte. Er würde zwar nicht die Scheidung anstreben, denn sich mit aller Welt, mit der Kirche oder gar mit dem Papst zu verfeinden, um sie loszuwerden, wäre ihm ein zu hoher Preis. Behalten würde er die Königshure, vorerst jedenfalls, doch er freute sich schon darauf, wie er ihr den Verrat heimzahlen würde: mit der ständigen Drohung, sie entweder in ein Kloster zu sperren oder – noch schlimmer – sie zu ihrer Mutter und ihren Brüdern nach Sachsen zurückzuschicken. Und natürlich würde er sich zu ihrer Demütigung eine Geliebte halten.
    An diesen Gedanken erwärmte sich Herzog Giselbert trotz des nasskalten Wetters. Als Eberhard wieder zu ihm heraufstieg, empfing er ihn mit heiterer Miene.
    „Ich muss dich loben, teurer Freund! Heldenhaft kämpfst du dafür, dass alles sicher hinübergelangt. Damit es uns nicht so geht wie den alten Burgunden, von denen die Sänger berichten. Die einen Schatz im Rhein versenkten, nicht weit von hier. Viel schönes Silber und Gold, das dann nie wiedergefunden wurde.“
    „Nun, wenn es so weitergeht“, erwiderte Eberhard missgestimmt, wobei er den Knoten seines Halstuchs, der sich gelockert hatte, wegen des scharfen Windes auf der Anhöhe fester zog, „dann werden auch wir bald manches da unten suchen, auf dem Grunde des Flusses. Gerade ist wieder ein Boot beinahe gekentert. Und jetzt ist es natürlich erst einmal unbrauchbar. Ich habe mit meinen Heeren manchen Fluss überquert, aber so etwas ist mir noch nie widerfahren.“
    „Du meinst …“
    |300| „Dass so viele Kähne gleichzeitig vollliefen, weil man vorher die Lecks nicht entdeckt hatte. Es sollte mich nicht wundern, wenn das beabsichtigt wäre, vielleicht sogar eine

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