Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
gekauft. Der leidige Zwist, die Burg Hellmern betreffend, sollte auf diese stille Art beigelegt werden. Es war ein Handel, damit die Sache nicht vor das königliche Gericht |85| kam und zu viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, mit vielleicht unabsehbaren Folgen, im äußersten Fall einem fränkisch-sächsischen Waffengang. Es sollte auch nicht davon die Rede sein, dass der mächtige Herzog der Franken bestraft wurde. Er hatte sich bereit erklärt, mit der Silberspende einen Beitrag zur Abwehr der Magyarenplage zu leisten. Eine ehrenvolle Erwähnung dieser großzügigen und freiwillig erbrachten Leistung wäre auf dem Hoftag angemessen gewesen.
Doch was tat König Otto?
Der Herzog erreichte das Elbufer und bevor er den Weg zum Hafen einschlug, blickte er noch einmal zum Burgfelsen hinauf, an dessen Rande sich das Palatium, der Prunkbau des Verhassten, erhob. Er bereute, diesem Hoftag, den der fünfundzwanzigjährige König rücksichtslos und ohne Scham zu einer Schaustellung seiner Macht nutzte, nicht fern geblieben zu sein, wie sein Vetter Hermann von Schwaben, wie der Lothringer und der neue Bayernherzog. So hatte er sich am ersten Tag Ottos Rede anhören müssen, die von der dritten bis zur neunten Stunde ohne Unterbrechung ein einziges Preislied seiner Verdienste um die Einheit des Reiches, die Abwehr der wendischen und magyarischen Einfälle und die Ausbreitung des Christentums war. Mit allen Einzelheiten über die bevorstehende Klostergründung hatte der König die Hunderte in der großen Halle gelangweilt und hohe Geistliche, wie den neuen Mainzer Erzbischof Friedrich und Bischof Bernhard von Halberstadt, hatte man immer wieder seufzen gehört, als Otto die reichen Schenkungen für das neue Kloster aufzählte und noch weitere in Aussicht stellte, um diese
seine
Stadt zu einer neuen Hochburg der Missionsbewegung nach Osten zu machen. Dabei, dachte Eberhard grimmig, geht es ihm doch nur darum, sich im Himmel beliebt zu machen, indem er die Mönche Tag und Nacht sein Lob singen lässt.
Das alles konnte man noch ertragen, sagte er sich, während er, des Regens nicht achtend, auf dem Uferweg dahinschritt. Doch was dann am zweiten Tag geschah, war zuviel. Man durfte, wie an Hoftagen üblich, Klagen vorbringen. Otto entschied ein paar Streitfälle um Erbschaften und Besitzrechte und setzte dann plötzlich zu einer Erklärung an, die Eberhard den Atem verschlug. Er teilte der Reichsversammlung mit, der Herzog von Franken habe hundert Pfund Silber zu zahlen – als Bußgeld für die verbrecherische Zerstörung |86| der Burg Hellmern und den Mord an über dreißig Burgbewohnern. Er, Eberhard – ein Verbrecher, ein Mörder!
Allerdings hatte der König betont, dass er als Herzog nur der Verantwortliche, nicht aber der Ausführende der Untat gewesen sei und dass er wohl nicht einmal etwas davon gewusst habe. Diese Bemerkung hatte alles ausgelöst, was danach kam. Da war plötzlich Bruning aufgesprungen und hatte geschrien, hier solle mal wieder ein Großer geschont werden und mit einer lächerlich geringen Strafe davonkommen, die zum angerichteten Schaden in keinem Verhältnis stehe. Anschwellend hatte sich unter den Sachsen ein Grummeln und Murren erhoben, und schließlich war wütend gefordert worden, es sollten sich auch die Hauptleute, die dabei waren und die entsetzlichen Gräuel befehligt hatten, dem königlichen Richterspruch stellen. Und Bruning hatte auf die vier vornehmen Männer gezeigt, die nichts ahnend an Eberhards Seite bei den fränkischen Hoftagsteilnehmern saßen. Er hatte ihre Namen genannt und unter dem Wutgeheul der Sachsen jeden Einzelnen angeklagt: Goderam habe die Brände werfen lassen, sei selbst mit der Fackel umhergerannt und habe Frauen die Kleider angezündet; Dagulf habe befohlen, jeden niederzumachen, der zu entkommen suchte, und drei fliehende Kinder niedergeritten; der dicke Rothger sei mit seiner Horde in die brennende Burg gestürmt und habe sich Wehrlose vorführen lassen, um ihnen mit eigener Hand die Köpfe abzuschlagen; Hruodland sei über eine junge Verwandte des Bruning, eine Edle, hergefallen und gemeinsam mit anderen seines Trupps habe er sie zu Tode geschändet. Bei jeder dieser Anklagen war das Rachegeschrei der Sachsen lauter geworden und erst Rothger und Goderam, dann auch die anderen beiden waren ihnen empört entgegengetreten und hatten sich ebenso laut verteidigt: Waren nicht Bruning und seine Genossen oft genug ins fränkische Grenzland eingedrungen, um zu
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