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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Binden umwickelt. Als wollten sie es so schnell wie möglich hinter sich bringen, ihrer Schande und dem Hohn der Menge zu entkommen, stapften die Vier hastig dahin, die grimmigen Mienen gesenkt, nach vorn gebeugt unter den Lasten, die sie trugen. An Riemen, die ihnen in die Schultern schnitten, schleppten sie Körbe auf ihren Rücken. Und in diesen Körben hockten Hunde – große, schwere Winde und Bracken. Es waren alte, kranke, verletzte, lahme, dem Tode nahe Tiere, die noch vor kurzem zur königlichen Meute gehört hatten.
    Das Tor des niedrigen Walls, der die
civitas
schützte, stand schon weit offen, als der Zug mit den vornehmen Hundeträgern herankam. Kopf an Kopf standen die Gaffer, die vom Elbhafen und aus der Siedlung der Fischer, Händler und Handwerker herbeigeströmt waren. Bis an das zweite, das innere Tor, durch das man in die Pfalz gelangte, drängte und schob sich das Volk. Auch hier gab es für die ungewöhnliche Prozession Gespött und Gelächter.
    „So ist’s recht! Die schlechten Hunde müssen die guten tragen!“
    „Ein hübscher Morgenspaziergang für die fränkischen Herren!“
    „So straft man bei uns in Sachsen Mordbrenner!“
    „Hoffentlich ist das nicht alles!“
    „Sei unbesorgt! König Otto gibt ihnen den Rest! Lässt sie hängen!“
    Die Verurteilten setzten die aufgescheuerten Füße in den schmutzbedeckten Schuhen noch eiliger. Weiber mit Krügen, denen bereitwillig Platz gemacht wurde, schütteten Fischlake über ihnen aus. Kinder warfen mit Kot und Steinen. Ein Hüne stieß zwei Wächter beiseite, schwang einen Knüppel und schmetterte ihn einem der Vier auf die Schulter. Der Mann stürzte hin und der erschrockene Hund in seinem Korb schlug ihm die Zähne in den Nacken. Die Berittenen mussten eingreifen und die Menge zurückdrängen. Knechte richteten den Blutenden auf und verschlossen dem Bracken, der schwach und dessen Biss nicht gefährlich war, mit einem Strick die Schnauze. Der Zug, durch den Zwischenfall ins Stocken geraten, erreichte das Tor des inneren Walls.
    Vor den Verurteilten lag das letzte und schwerste Stück ihres Weges. Es führte von diesem wuchtigen hölzernen Tor mit Wachturm zum Palatium. Dort wartete auf den Stufen der Freitreppe König Otto mit seinen Großen und den vornehmsten Gästen. Ein kühler Wind hatte sich erhoben und jagte schwarze Wolken über die Pfalz. Die ersten Regentropfen fielen.
    |82| Noch etwa dreihundert Schritte waren auf der leicht ansteigenden Ebene des Burgfelsens zurückzulegen. Auch hier gab es eine von Menschen gebildete Gasse, jedoch nur von Männern der königlichen Gefolgschaft und Teilnehmern des Hoftags. Draußen vor dem Tor, das die Hundeträger mit ihren Bewachern passierten und das gleich hinter ihnen geschlossen wurde, blieben die Schmähungen des Pöbels, Lärm und Geschrei zurück, hier drinnen aber erwartete sie Schlimmeres: eisiges Schweigen, Hass und Verachtung. Wie Pfähle mannshoher Palisaden standen links und rechts, Schulter an Schulter, die hoch gewachsenen sächsischen Krieger in ihren groben Mänteln, Lanzen in den Fäusten, Schwerter und Dolche am Gürtel. Aus dem Gewirr ihrer roten, blonden und grauen Bärte starrten sie mit böser Genugtuung auf die Verurteilten.
    Die vier fränkischen Herren mit den Hundekörben waren am Ende ihrer Kräfte. Seit dem Morgengrauen waren sie unterwegs und hatten ohne zu rasten mehr als zehn Meilen zurückgelegt. Jetzt, unter den grausamen Blicken und in Erwartung der letzten königlichen Entscheidung, die Tod oder Gnade bringen konnte, versagten die Beine. Gleich hinter dem Tor brach der Beleibteste zusammen, stöhnend, mit weit aufgerissenem Mund nach Atem ringend. Der bullige gelbe Hund, seine Rückenlast, kroch träge aus dem Korb und beschnüffelte ihn. Auch der vor wenigen Augenblicken mit einem Knüppel Niedergestreckte und blutig Gebissene wälzte sich auf dem schlammigen Boden. Die Knechte, die sich nun ganz besonders eifrig gebärdeten, packten die beiden unter den Armen, zerrten sie hoch, bürdeten ihnen erneut ihre Last auf. Der Gebissene war völlig am Ende und musste auf dem letzten Stück geführt, gestützt und mitgeschleift werden.
    Die Berittenen blieben zurück und die Gruppe der Hundeträger wankte, von den Knechten gestoßen, bis an die Freitreppe. Alle vier mussten nun nebeneinander stehen, unter den strengen Blicken der Markgrafen, Grafen, Erzbischöfe und Bischöfe und anderer Würdenträger, die in mehreren Reihen auf der Treppe standen. Vorn hatte

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