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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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brandschatzen und zu rauben? Man habe nur die längst fällige Vergeltung geübt. Das sei eine Fehde unter Nachbarn, die den König nichts angehe.
    Als dieses Wort fiel, war ihre Sache verloren. Otto war von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte befohlen, ihm die Vier vorzuführen. Gebrüllt und gefuchtelt hatte er. Störung des Friedens, Mord, Brand, Schändung – nicht Sache des Königs? Nach einem kurzen Verhör war sein Urteil fertig: Hundetragen! Womit er sich vorbehalten hatte, es später noch zu verschärfen. Herzog Eberhard |87| hatte nicht verhindern können, dass seine vier Franken – vertrauenswürdige, tapfere Anführer seiner Gefolgschaft – auf der Stelle verhaftet und fortgeschleppt wurden, in einen Nachbargau. Denn die zu dieser Schandstrafe Verurteilten mussten Hunde von einem Gau in den anderen tragen.
    Nun hatte Otto die Männer begnadigt, er hatte am Ende Großmut gezeigt. Doch was war damit gewonnen? Der König hatte eine neue Lage geschaffen, die die Stellung des Herzogs der Franken fragwürdig machte – ja, so weit schwächte, dass sie schon einer Ohnmacht glich. Im Ostfränkischen Reich, das aus dem stolzen Reich Karls des Großen hervorgegangen war, wurden fränkische Adelige von einem sächsischen Herrscher vor aller Welt gestraft und gedemütigt, und der Herzog der Franken, dessen Vasallen die Verurteilten waren, sah tatenlos zu. Was bin ich nur für eine traurige Gestalt, dachte Eberhard, wie viele Schläge habe ich schon von diesen Sachsen einstecken müssen und was wird noch folgen …
    „Eines steht jedenfalls fest“, murmelte er, „dieser Ort der Schande sieht mich nie wieder!“
    Er stellte sich, weil der Regen stärker wurde, unter einen Weidenbaum und drückte den Hut tief in die Stirn, weil ihn der scharfe Wind, der von der Elbe her wehte, forttragen wollte. Grämlich blickte er hinüber auf das lebhafte Treiben im Flusshafen, das vom Wetter kaum beeinträchtigt wurde. Unzählige kleine Boote wimmelten umher. Ein Frachtkahn wurde mit Fässern beladen, aus einem anderen hob man einen Mühlstein heraus. Schimpfende Männer lenkten mit Stangen, einander behindernd und ausweichend, das hier in Riesenmengen benötigte, die Elbe herab geflößte Bauholz ans Ufer.
    Erst im letzten Augenblick bemerkte Herzog Eberhard den Mann, der sich aus einer Gruppe von mehreren löste. Sie waren aus derselben Richtung gekommen wie er selbst, vom Burgfelsen her. Der Mann trat näher, blieb im Abstand von einigen Schritten stehen und grüßte. Sein unbedecktes langes weißblondes Haar klebte in dünnen Strähnen an seinem Kopf. Unter dem mit einer Goldfibel befestigten Mantel hing sein Langschwert bis fast an die Füße. Der Herzog kannte ihn. Als er vor achtzehn Jahren dem Sachsenherzog Heinrich die
insignia regis
überbracht hatte, war dieser Mann zwölf Jahre alt gewesen und er war ihm als ein ernsthafter, wenn auch |88| etwas verdruckster, hinterhältig wirkender Knabe in Erinnerung geblieben. Erst auf diesem Hoftag hatte er ihn wiedergesehen. Er hatte ihn nicht erkannt, war von anderen auf den hageren, reich gekleideten Mann mit dem goldenen Halsschmuck aufmerksam gemacht worden, der reglos und düster unter den vornehmsten Sachsen saß.
    „Ihr seid es, Thankmar?“

13
    „Ich bin Euch gefolgt, Herzog“, sagte der Sohn König Heinrichs. „Sah Euch fortgehen, allein. Das ist kühn, aber auch leichtfertig. Hier seid Ihr nicht unter Freunden, das habt Ihr ja gerade erlebt.“
    „Was wollt Ihr?“
    „Wenn Ihr erlaubt, werde ich Euch unter Eurem Schutzdach ein wenig Gesellschaft leisten.“
    Herzog Eberhard bezeigte mit einer knappen Geste sein Einverständnis. Ihm war nicht danach zumute, jetzt Gespräche zu führen, schon gar nicht mit einem nahen Verwandten des Königs. Doch mischte sich in die Unlust etwas Neugier. Als eifriger Nachrichtensammler, dem nichts entging, hatte er auch davon gehört, dass Thankmar sich vom König um das Erbe seiner Mutter, vor allem die Merseburg, betrogen fühlte und dass infolgedessen das Verhältnis der Halbbrüder gestört, fast zerrüttet war.
    Thankmar trat unter den Weidenbaum. Fröstelnd hob er die Schultern und zog unter dem Mantel ein Tuch hervor, um sein Gesicht zu trocknen.
    „Diese Nässe, diese Kälte … Es wird bald Winter, scheint es, sehr früh diesmal. Nun, mag es bald enden, das elende Jahr. Was denkt Ihr, Herzog? Wie lange wird das so bleiben? Wie lange wird das so weitergehen?“
    „Was meint Ihr?“, fragte Eberhard zurückhaltend.

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