Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Mathilde zornig hervor.
„Oh, bitte regt Euch nicht auf, das schadet Euch!“, mischte sich die Stiftsdame Richburg ein und legte ihr längliches, spitznasiges Gesicht in Sorgenfalten.
„Es ist doch die Wahrheit!“, fuhr die erboste Königinmutter fort. „Bald wird wohl auch er Kirchen und Klöster enteignen, mit Ausnahme des hiesigen natürlich. Um seine Vasallen zufrieden zu stellen, um es zu treiben wie Arnulf der Böse. Man wird ihn Otto den Gierigen oder Otto den Räuber nennen. Hätte dein Vater das geahnt!“
„Es war das Lebenswerk meines Vaters“, ächzte Otto, dessen breites, dickes Gesicht vor Anstrengung rot anlief, „alles zum Erhalt des Reiches zu tun. Ich bin sein Erbe.“
„Du – ein Erbe deines Vaters? Was bist du schon für ein Erbe! Mit deiner Art zu regieren werden wir bald alle zugrunde gehen. Dein Vater wusste, was er tat. Du weißt es nicht.“
|99| „Ich weiß es nicht? Wie kommst du darauf?“
„Kühe und Pferde machen weniger Mist!“, mischte sich Heinrich ein.
„Ach, du hast auch eine Meinung, Bübchen?“, sagte der König, wobei er sich überzeugte, dass die Lanzenspitze fest aufsaß.
„Ja, die habe ich!“, fuhr der Jüngling fort, dem die Gegenwart der Mutter Mut machte. „Die Sachsen hast du verärgert und die Franken hast du jetzt als Feinde im Nacken. So ist es! Ist ja auch lächerlich – erst strafen und hinterher belohnen. Die denken, du bist nicht mehr ganz bei Verstand.“
„Heinrich hat Recht“, fand die Königinmutter. „Erst lässt du sie Hunde tragen und dann beschenkst du sie fürstlich!“
„Das geschah, weil ich ihn darum gebeten hatte“, sagte Edgith. „Ich dachte, sie müssten nach der harten Strafe versöhnt werden. Damit kein Groll bleibt, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren.“
„Kein Groll?“ Heinrich lachte verächtlich auf. „Jetzt werden sie erst recht die Messer wetzen! Die denken doch, Odda war erschrocken über das, was er angerichtet hatte. Die denken, er wollte sich schnell wieder bei ihnen in Gunst bringen.“
Der König lächelte spöttisch und winkte wieder dem Knecht, der ihm einen Hammer und einen Nagel gab.
„Er wollte ihnen mit den Geschenken doch nur zeigen“, fuhr Edgith eifrig fort, „dass sie noch immer in seiner Gnade sind, dass er ihnen nichts nachträgt. Dafür müssen sie doch dankbar sein.“
„Ich fürchte, Frau Königin“, bemerkte Bischof Bernhard, „das war nicht der richtige Weg, ihre Schande vergessen zu lassen und ihre Dankbarkeit zu gewinnen.“
„Ich bin derselben Meinung“, sagte die Königinmutter. „Wieviel klüger dein Bruder die Lage beurteilt – ganz der Sohn seines Vaters. Dein Vater zeigte Eberhard und den Franken ihre Grenzen – schon damals, als dessen Bruder Konrad noch König war. Er tat es mit einem gewaltigen Schlag und danach gaben sie Ruhe. Unsicherheit, Schwanken, halbe Sachen, widersprüchliche Entscheidungen … das schwächt den Herrscher. So etwas tat dein Vater nicht. Du wirst alles verderben, was er geschaffen hat. Begonnen hast du schon damit!“
„Das müßtest du mir beweisen, Mutter.“
|100| Otto hatte sich wieder auf ein Knie niedergelassen. Er legte die Lanze auf den Holzklotz und passte den Nagel in das Loch an der Tülle ein.
„Beweisen?“, wiederholte sie auflachend. „Was gibt es da noch zu beweisen? Überall brennt es, seit du König bist. Nichts ist mehr sicher. Böhmer, Daleminzier, Redarier … alle erheben sich. Die Bayern verweigern den Eid. Die Franken sind aufgebracht und werden sich rächen. Herzöge kommen nicht, wenn du sie rufst. Wäre das deinem Vater passiert?“
Mit vorsichtigen Hammerschlägen trieb der König den Nagel durch die Tülle in das Holz des Schaftes.
„Noch weitere Anklagen?“
„Wie behandelst du die, die dir nahestehen und die du benötigst! Wichmann, deinen Onkel, hast du erniedrigt. Und was hat dir Heinrich getan, dass du ihm die Merseburg wegnahmst, die ihm sein Vater zudachte, und sie dem Gero zu Lehen gabst?“
„Wenn ich ihm zutrauen könnte, dass er uns die Magyaren vom Hals hält, hätte er sie bekommen“, sagte Otto, während er mit drei kräftigen Hammerschlägen sein Werk vollendete. „Aber das Nest ist zu hoch für ihn, er ist noch nicht flügge, könnte herausfallen – auf sein hübsches Näschen.“
„Pass auf“, höhnte Heinrich, „dass du nicht selbst zu tief fällst und dir das Genick brichst!“
„Dann wärst du der Nächste am Thron, ja? Das verbreitest du doch
Weitere Kostenlose Bücher