Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
plötzlich dazwischen. „Lass endlich die Armen, Mutter! An denen wirst du dich nicht verausgaben!“
„Oh bitte, Herr!“, flehte die Stiftsdame, „nehmt doch Rücksicht! Eure edle Frau Mutter könnte der Schlag treffen, wenn Ihr so zu ihr sprecht.“
Aber der König war, da er sich nicht mehr durch Arbeit ablenken konnte, nicht mehr imstande, den Zorn, der auch in ihm aufkochte, zu unterdrücken.
„Ach, sie gaukelt uns etwas vor!“, sagte er, den Kopf zwischen die massigen Schultern gedrückt und die Hände knetend. „Ich kenne sie, kenne sie gut! Kenne sie besser als ihr alle. Wie oft hat sie meinen Vater durch ihr aufgeregtes Gehabe erweicht, wo er besser fest geblieben wäre!“
„Dein Vater liebte mich!“, schrie die Königinmutter. „Er liebte mich über alle Maßen! Nie brauchte ich einen Wunsch zu äußern – er war erfüllt, ehe ich ihn aussprechen konnte. Er las ihn mir vom Gesicht ab!“
|103| „Ja, von der säuerlichen, gekränkten Miene, die du aufsetztest, wenn es nicht nach deinem Willen ging. Dann wurde tagelang, manchmal wochenlang geschmollt und beleidigt geschwiegen. Und dann gab er nach, um des häuslichen Friedens willen. Und so wurden alle fett und reich, die den Buckel krumm machten und um deine Gunst buhlten.“
„Ich bitte Euch“, rief Bischof Bernhard und streckte dem König die flatternden Hände entgegen, „schont Eure edle Mutter!“
Ein Blick der funkelnden kleinen Augen des Königs traf den Priester.
„Du tätest besser daran, Bischof, wenn
du
sie schontest!“
„Ich?“
„Wenn du ihr nicht unentwegt einreden wolltest, was für ein Unglück es sei, dass nicht mehr sie, sondern diese hier – meine Frau – jetzt Königin ist. Und ihr nicht in den Kopf setztest, sie könnte das Reich auch von Quedlinburg aus regieren, wie sie es tat, als mein Vater noch lebte, aber dazu nicht mehr fähig war. Ja, das waren Zeiten! Herrliche Zeiten! Und wenn dieses Bürschlein, das purpurgeborene, König geworden wäre, dann könnte das noch lange so weitergehen. Doch daraus wurde nichts … und wird nichts! Es wird Zeit, Mutter, dass du es endlich begreifst: Hier – hier wird regiert … und ohne dich! Und auch du, Bischof, wirst dazu nicht benötigt. Du solltest dein ganzes Sinnen und Trachten darauf richten, was deines Amtes ist, nämlich den christlichen Glauben zu verbreiten. Solltest froh sein und uns dafür loben, weil hier in Magdeburg eine neue starke Festung des Glaubens entstanden ist. Eine Festung, sage ich dir, von der wir ausschwärmen werden zu denen da drüben, damit sie die Botschaft, die ihr verkündigt, zu hören bekommen. Ist das verkehrt? Ist das schlecht? Muss man darüber hämische Reden führen? Muss man die Hufe zählen und die Kühe und Schafe, die nun zum Klostergut gehören? Ich weiß … ich weiß, was geredet wird! Aber man wird mich nicht irre machen an dem, was ich vorhabe. Ihr werdet noch staunen, ihr Pfaffen, staunen werdet ihr!“
„Wollt ihr“, stammelte Bischof Bernhard und zuckte mit beiden Schultern, „wollt ihr hier etwa einen Bischofssitz einrichten?“
„Vielleicht. Vielleicht auch noch mehr.“
„Wie? Noch mehr?“
„Nun, was gibt es noch zwischen Bischof und Papst?“
|104| „Oh! Soll ich das … soll ich das dem Herrn Erzbischof Friedrich melden?“
„Melde nur, melde! Und merkt euch noch einmal: Hier wird regiert – oder wo immer ich gerade bin. Und euer Rat ist erwünscht, wenn ihr gefragt werdet – sonst nicht! Vergiss es nicht, Mutter! Als Königin hattest du deine Zeit, doch die ist vorbei. Sei den Frauen, die dir anvertraut sind, eine gute Vorsteherin. Mehr wird nicht von dir erwartet. Gott hat es so eingerichtet … so sei es. Und nun lebt wohl! Zu Ostern, wie es in unserer Familie Brauch ist, sehen wir uns in Quedlinburg.“
Mutter und Sohn standen sich gegenüber und maßen sich mit einem langen Blick, der den ganzen Ernst ihres gespannten, leidvollen, von unfreundlichen Erinnerungen belasteten Verhältnisses enthielt. Dann wandte Frau Mathilde sich ab und einen Augenblick lang schien es, als wollte sie ohne Abschied fortgehen. Aber das brachte sie nicht fertig, sie drehte sich wieder um, ließ sich von Otto, der rasch auf sie zu trat, umarmen und küsste ihn auf die Stirn. Der König umarmte auch seinen Bruder, der es in steifer Haltung geschehen ließ. Bischof Bernhard verbeugte sich. Die Königin schloss sich den Reisenden wieder an, um sie am Tor der Pfalz zu verabschieden, wo die Begleitung der
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