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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Königinmutter und Heinrichs Gefolge schon bei den Pferden und Wagen warteten.
    Als die Fünf unter dem Torbogen verschwunden waren, ließ Otto sich wieder auf den Holzklotz fallen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, seufzte er schwer, wühlte in seinen langen Haaren, zauste seinen Bart.
    „War das nötig?“, murmelte er. „Warum endet es jedes Mal so? Vielleicht war ich zu grob … ja, ja, zu grob. Ich sollte sie um Verzeihung bitten …“
    Er erhob sich langsam, doch unentschlossen, und setzte sich wieder.
    Aus der Schmiede ertönte die schrille Musik von Hammerschlägen.

|105| Zweiter Teil

15
    Die ersten fünf Monate des Jahres 938 waren für die Königin Edgith die schlimmsten, seit sie neun Jahre zuvor ihre angelsächsische Heimat verlassen hatte. Zum ersten Mal und gleich des öfteren kam es zu ernsten Unstimmigkeiten zwischen ihr und ihrem Gemahl.
    Angefangen hatte es Ende Januar, als Markgraf Gero in der Magdeburger Pfalz erschien und ruhmredig von einer Tat berichtete, mit der er die Wendenstämme jenseits der mittleren Elbe entscheidend geschwächt haben wollte. Angeblich hatten die Wenden einen Anschlag auf sein Leben geplant, doch sei er ihnen listig zuvorgekommen. Er habe dreißig ihrer Stammesführer zu einem Versöhnungsgastmahl geladen, habe sie tüchtig mit Bier und Wein gefüllt und dann, als sie nur noch lallten und torkelten, einen nach dem anderen abstechen lassen. Einige Hälse habe er selbst durchschnitten, berichtete Gero mit dröhnender Stimme und klopfte dabei auf den Dolch an seinem Gürtel, den er dazu benutzt hatte. Dem Marsch zur Oder – das war seine Überzeugung – würde sich nun niemand mehr entgegenstellen, ganz sicher nicht die „kopflos“ gewordenen Wendenstämme.
    Otto nahm den Bericht schweigend entgegen und am Ende lobte er den Markgrafen für seine Wachsamkeit, seine Entschlußkraft und die rücksichtslose Vergeltungsmaßnahme. Doch Edgith war so entsetzt, dass sie von ihrer Gewohnheit abwich, sich nicht in Angelegenheiten der Verteidigung des Reiches und der Beziehungen zu den Grenzvölkern einzumischen. Sie stellte den König später zur Rede und fragte ihn, ob er mit solchen feigen, abscheulichen Verbrechen die Wenden für die christliche Botschaft gewinnen wolle. Er räumte zwar ein, dass es sich hier um ein äußerstes Mittel handelte, um hartnäckigen Widerstand zu brechen, und dass er, wäre er zuvor unterrichtet worden, seine Zustimmung nicht gegeben hätte, doch verteidigte er den Markgrafen, weil der ja auch in Notwehr gehandelt habe. Edgith entgegnete, die „Notwehr“ sei |106| Geros Erfindung, um der widerwärtigen Bluttat einen Schein von Rechtfertigung zu geben, und sie verlangte eine Bestrafung des Unholds und die Entfernung von seinem Posten. Da geriet Otto in Zorn und fragte sie, ob sie nun plötzlich zur Partei seiner Mutter und Heinrichs oder gar zu der des Thankmar gehöre, die alle nichts lieber sähen, als den Sturz seines treuesten Vasallen. Sie schrien sich an und sagten einander böse, verletzende Worte. Niemals zuvor war so etwas vorgekommen.
    Was die Folgen der Untat betraf, sollten sich Edgiths Ahnungen bald bestätigen. Die Stämme jenseits der Elbe duckten sich nicht etwa in Demut und Furcht, wie es Otto und Gero erwartet hatten. Sie erhoben sich in heller Empörung.
    In Windeseile verbreitete sich die Schreckenskunde bis zu den Abodriten am Unterlauf des Flusses und ohne Zögern griffen sie zu den Waffen. Hermann Billung bot hastig ein Heer gegen sie auf, doch kam es geschlagen, mit hohen Verlusten zurück.
    Heveller, Redarier, Lusitzer, Daleminzier verweigerten die Tribute und griffen die Burgwarde an, die Stützpunkte ihrer sächsischen Zwingherren. Der König und sein Markgraf rückten durch Eis und Schnee mit größeren und kleineren Haufen gegen sie aus, schlugen sie hier, drängten sie dort zurück. Aber sie konnten nicht verhindern, dass die Brandenburg, König Heinrichs stolze Eroberung, von ihren früheren Besitzern, den Hevellern, wieder eingenommen wurde.
    In Decken und Felle gehüllt, stand Edgith im Magdeburger Palatium an ihrem Fenster. Tief bekümmert sah sie, wie unten im Flusshafen, auf den Werdern und den halb zugefrorenen Armen der Elbe Sachsen und Wenden, die vorher friedlich miteinander gehandelt, gescherzt und getrunken hatten, sich prügelten und mit Knüppeln, Stangen und Rudern aufeinander einschlugen.
     
    Es wurde Frühjahr. Der König glaubte, die jenseits der Elbe aufgeloderte Flamme so weit ausgetreten

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