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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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gab, ließen auch den Herzog der Franken nicht unbeeindruckt. Doch seine vorgeschrittenen Jahre und seine an Niederlagen und Enttäuschungen reiche Vergangenheit bewahrten ihn vor Überschwang. Es kamen ihm auch noch einmal Zweifel an der Aufrichtigkeit des zungenfertigen, doch schwer durchschaubaren Mannes, der immerhin zu den nächsten Anverwandten des Königs zählte. Er drückte den Hut noch tiefer in die Stirn und sagte, dieses Gespräch hätte besser nicht stattgefunden und er rate, nichts zu unternehmen, was übel ausgehen könnte. Da die Wolkendecke nun immer größere Risse bekam und es aufhörte zu regnen, grüßte er, |93| tat so, als sei die Angelegenheit damit für ihn erledigt und ging weiter auf dem Uferweg in Richtung des Hafens. Aber Thankmar, überzeugt, den Herzog mindestens halb gewonnen zu haben, blieb nicht zurück, sondern hielt sich an seiner Seite und redete mit verdoppeltem Eifer auf ihn ein.
    Tatsächlich hatte der Funke gezündet und Herzog Eberhard dachte schon über die Ausführbarkeit des kühnen Planes nach. Während er kaum noch auf das nicht immer ganz verständliche Wortgeprassel des Sachsen achtete, ging er in Gedanken schon die Namen von Grafen, Burgherren und Hauptleuten durch, die man gewinnen könnte und die vor allem die Fähigkeit besäßen, die militärische Führung zu übernehmen. Er selbst war sich nur zu sehr bewusst, dass er jedes Mal, wenn er an der Spitze seiner Heerhaufen auszog, dieselbe beschämende Erfahrung machen musste: Er besaß, obwohl im Kampfe Mann gegen Mann alles andere als feige und zaghaft, weder die Fähigkeiten noch das Glück des erfolgreichen Feldherrn. Auch von Thankmar war niemals Rühmendes an sein Ohr gedrungen, von keiner außerordentlichen Tat war je die Rede gewesen. Der Sohn König Heinrichs, seit eineinhalb Jahrzehnten volljährig, waffenfähig und gewiss an den meisten der zahlreichen größeren und kleineren Feldzüge seines Vaters beteiligt, hatte kein einziges Mal mit einem aus eigener Kraft errungenen Sieg auf sich aufmerksam gemacht. Doch ein militärisches Unternehmen so gewaltigen Ausmaßes bedurfte eines ebenso angriffsfreudigen wie erfahrenen und umsichtigen Führers. Er musste sich auf die langwierige Belagerung von Burgen verstehen, musste Heerhaufen durch Wälder und Sümpfe an die entfernten Orte ihrer Bestimmung lenken, musste im richtigen Augenblick, mit taktischem Geschick, unter Ausnutzung auch kleinster Geländevorteile den Gegner überraschen und niederwerfen. Wem war das zuzutrauen?
    „Wer soll denn aber die Führung übernehmen?“, fragte der Herzog unvermittelt, ohne darauf zu achten, was sein Begleiter ihm gerade auseinandersetzte. „Habt Ihr denn einen, der es mit Ottos Heerführern aufnehmen könnte?“
    „Oh ja, den haben wir!“, erwiderte Thankmar, sich sogleich unterbrechend. „Den haben wir, Herzog, den haben wir! Verzeiht, dass ich Euch erst jetzt seinen Namen nenne. Doch ich musste mich ja erst überzeugen, dass Ihr wirklich einer der Unseren sein |94| werdet. Jetzt bin ich es! Mit dieser Frage beweist Ihr mir, dass Ihr den Sieg wollt!“
    „Wer ist es?“
    „Wichmann.“
    „Der Billunger?“
    „Ja!“
    „Das überrascht mich“, sagte Herzog Eberhard nach kurzem Besinnen, denn diesen Namen hatte er nicht in Erwägung gezogen. „Ein Sachse. Stand Euerm Vater nahe. Ich kenne ihn nur flüchtig, habe ihn selten gesehen, allerdings viel von ihm gehört …“
    „Ganz Sachsen singt sein Heldenlied! Wo hat er sich nicht hervorgetan! In der Schlacht bei Riade! Bei der Belagerung der Brandenburg! Beim Sturm auf Lenzen! Die Magyaren und die Wenden machen schon kehrt, wenn man ihnen nur seinen Namen zuruft.“
    „Er versteht sich also auf jede Art Kriegsführung.“
    „Jede! Vor allem aber: Er hat den richtigen Zorn, weil ihn Odda beleidigte und ihm den Hermann, seinen jüngeren Bruder, vorzog.“
    „Zu viel Zorn kann auch schädlich sein. Verführt zu Leichtsinn und Hast.“
    „Nicht bei ihm. Er hat lange gezögert, als ich ihn vor ein paar Tagen beiseite nahm. Bat sich Bedenkzeit aus, zwei Nächte. Er handelt besonnen, trotz allem. Gestern drückte er mir die Hand und sagte: ‚Ich bin dabei! Es muss sein, sonst macht uns Odda noch alle zu Knechten!‘ Soll ich Euch zu ihm bringen, Herzog? Er erwartet mich in seinem Zelt – und auch Euch. Oder habt Ihr Dringenderes vor?“

14
    Nach dem Abschluss der Zeremonien lud König Otto die Gäste des Hoftags und der Klostergründung ein, die Magdeburger Tage

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