Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Hille, die Tochter von Grimbald, dem Burgvogt. Komm näher, Hille! Näher, näher!“
Das Mädchen machte ein paar zögernde Schritte, verharrte aber in einigem Abstand.
Thankmar sprang auf, trat zu ihr und ergriff ihre Hand. Sie wollte sich losmachen, doch er packte sie fester und zog sie mit sich zum Tisch.
Thiadrich und die drei Brüder musterten mit lüsternem Grinsen das Mädchen, dessen dünnes Gewand die schwellenden Körperformen sichtbar machte.
„Ein feines Jüngferchen hast du dir diesmal ausgesucht, Tammo“, bemerkte der Graubart.
„Aber ein Jüngferchen ist sie nun wohl nicht mehr!“, lispelte Roudhart feixend.
„Wollt ihr die Mäuler halten!“, sagte Thankmar. „Ihr wisst ja noch gar nicht, was ich mit ihr vorhabe. Bei Tageslicht ist sie wahrhaftig noch schöner … Wenn ich geahnt hätte, Hille, dass du da drinnen bist … Warst du lange in der Kirche?“
|125| „Seit heute Morgen“, antwortete sie, sah kurz und unsicher zu ihm auf, senkte dann aber wieder den Blick.
„Du hast wohl gebetet … wegen der Sünde? Die ganze Zeit?“
Sie schwieg und errötete heftig. Eine Träne rollte ihr die Wange herab, die sie mit einer hastigen Bewegung fortwischte. Die vier am Tisch tauschten Blicke und konnten die Lachlust kaum unterdrücken.
„Haben dir das die alten Furzer, die Mönche, befohlen?“
Wieder antwortete sie nicht.
„Die werden sich wundern und auch diesen vier Narren hier wird das Lachen vergehen“, sagte Thankmar, der noch immer das Handgelenk Hilles gepackt hielt. „Warum lachen sie? Ich lache niemals … jedenfalls schon lange nicht mehr, weil dieses ganze verfluchte Leben kein Spaß ist. Und wenn ich etwas erkläre oder verspreche, dann ist es mir Ernst. Weißt du noch, was ich dir heute Nacht versprach?“
Sie bewegte nur stumm die Lippen.
„Antworte! Weißt du es noch?“
„Ich weiß es noch“, sagte sie leise und blickte wieder kurz zu ihm auf.
„Dann wiederhole es.“
„Wozu denn?“
„Damit alle es erfahren.“
„Ich glaube Euch nicht.“
„Was versprach ich dir?“
„Dass Ihr mich heiraten wollt.“
Jetzt konnten die vier sich nicht mehr zurückhalten und wieherten los.
„Schweigt!“, schrie Thankmar.
Gleich verstummten sie gehorsam.
Hille riss sich los und versuchte fortzulaufen. Mit drei Schritten hatte Thankmar sie jedoch eingeholt, hob die sich Wehrende auf beide Arme und trug sie zurück. Er nötigte sie, sich neben ihn auf die Bank zu setzen, legte den Arm um sie und behielt sie im festen Griff. Verzweifelt blickte sie zum Himmel auf.
Der lange Iglolf stieß einen hörbaren Seufzer aus.
„Was hast du?“, fragte ihn Thankmar. „Passt dir etwas nicht?“
„Es ist nicht Zeit für Weibergeschichten“, wagte Iglolf zu erwidern.
|126| „Halt’s Maul, das ist meine Sache, nicht eure! Ich habe etwas versprochen und dieses Versprechen werde ich halten. Warum? Ich erkläre es euch. In Magdeburg fragte ich meinen Bruder Odda, was er dazu meinte, dass ich ein Mädchen weit unter meinem Stande heiratete, die Tochter eines Klostervogts. Er sagte, dagegen sei nichts einzuwenden. War ja so froh, dass ich vom Heiraten sprach und nicht mehr von meinem gestohlenen Erbe. Aber ist das nicht seltsam? Waltet hier nicht eine höhere, eine göttliche Macht, die mir dies eingab, die aus mir spricht? Ich kannte ja noch gar keine Tochter eines Klostervogts, sprach listig von einer Hochzeit, um meinen tatsächlichen Plan zu verschleiern. Und doch sprach ich ernsthaft, sprach ich die Wahrheit – lange bevor ich sie kannte. Hier ist das Mädchen, die Tochter des Klostervogts! Hier ist die, die ich heiraten werde!“
Der Sohn König Heinrichs schob das Kinn vor und sein stechender Blick traf nacheinander die vier Männer, die mit runden Augen und offenen Mündern dasaßen, teils aus echter Bewunderung für ihren Gefolgsherrn, teils aus Gewohnheit, weil er es so erwartete.
„Das ist ein Wort!“, sagte Thiadrich. „Wir werden dabei sein, Tammo, und euch, wenn es zu Bette geht, das Hochzeitslied singen.“
Das Mädchen Hille senkte den Kopf voller Scham und Angst. Sie hatte kaum etwas verstanden und musste glauben, dass die fremden bärtigen, grinsenden, halbnackten Kerle, die sie mit Blicken verzehrten, nur ihren Spaß mit ihr trieben. Thankmar packte sie an den Haaren, zwang sie, ihm ihr Gesicht zuzuwenden und küsste sie auf den Mund. Beifälliges Gejohle erhob sich dazu und begrüßte auch den rundlichen Mönch, der ein offenes Fass mit Wein auf
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