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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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befohlen, das zu vermeiden“, sagte er ärgerlich. „Das ist heute bereits das dritte Dorf. Ich will keinen Hader mit den Mönchen von Corvey. So etwas kann ich nicht brauchen.“
    „Lass ihnen doch ihr Vergnügen“, sagte der Graubart Thiadrich beschwichtigend. „Uhtrad und seine Männer haben es verdient. Sind gute Leute. Waren in Belecke die Ersten auf der Mauer.“
    „Ich will die Corveyer nicht zu Feinden haben. Versteht ihr das nicht?“
    „Das verstehen wir gut. Aber wie sollten wir sie denn schonen? Denen von Corvey gehört diese Burg, gehört der Berg, gehört das Tal, gehört fast alles ringsum. Trotzdem müssen wir uns von ihnen holen, was wir brauchen. Und dabei passiert es nun mal, dass man mit einem Feuerchen nachhelfen muss.“
    |121| „Wir müssen vorsichtiger sein“, bemerkte der lange Iglolf, einer der drei Vettern Thiadrichs. „Drei Mönche wurden umgebracht, weil sie eine silberne Kanne nicht hergeben wollten. Mehrere Bauern wurden erschlagen, ihre Weiber geschändet und gepfählt …“
    „Man muss die Männer bei Laune halten“, fand Thiadrich. „Wenn sie plündern, sind sie beschäftigt. Sonst werden sie aufsässig. Dass dabei auch mancher Unfug getrieben wird, lässt sich nicht ändern.“
    „Außerdem müssen sie für Verpflegung sorgen, hier ist ja bald alles aufgezehrt“, meinte sein Vetter Heriger, dessen nackter Bauch über den Gürtel der Hose hing.
    „Wir sollten weiterziehen, Tammo“, sagte Iglolf. „Der Alte wird auch schon ungeduldig.“
    „Wichmann? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen“, erwiderte Thankmar gleichmütig. „Anscheinend geht er mir aus dem Wege.“
    „Er streift in der Gegend umher“, lispelte der Jüngste der Vettern, Roudhart, dem schon fast alle Zähne fehlten. „Schickt auch Kundschafter aus. Hat wohl Angst, wir könnten hier überfallen oder belagert werden.“
    „Die Burg ist uneinnehmbar, wenn die Verteidiger nicht zu nachlässig sind. Wir sind hier vollkommen sicher. Ich habe mich überzeugt, dass der einzige Zugang, das Südtor, einer steinernen Wand gleicht, wenn es geschlossen ist. Und seht dort hinunter … ringsum glatter Fels, ein paar hundert Fuß hoch, unbezwingbar. Wer sollte uns überfallen? Odda? Der ist abgezogen, den Rhein hinauf. Vielleicht geben ihm schon die Bayern den Rest und wir müssen gar nichts mehr dazu tun. Wenn nicht, dann kommt er gerupft zurück und wir brauchen ihm nur noch die letzten Federn auszureißen. Warum jetzt weiterziehen? Bleiben wir hier und warten ab. Alles wird zum glücklichen Ende kommen. Wie gut war ich beraten, dass ich die Burg Belecke zuerst nahm. Ich ahnte, dass mein Brüderchen Heinrich dort seinen Hort versteckt hatte. Wer weiß, was er damit vorhatte … er hasst ja Odda noch mehr als ich. Nun ist er im sicheren Gewahrsam bei Eberhard und ich muss nicht mehr fürchten, dass er mir meine Pläne durchkreuzt. Und die Sorge, wie ich meine Männer belohnen soll, ist mir auch genommen. Na, setzen wir uns und trinken wir etwas. Diese Hitze … Wie gut, dass wir jetzt nicht in Panzerhemden schwitzen müssen.“
    |122| Gefolgt von Thiadrich und den drei Brüdern, kehrte er an einen Tisch zurück, unter das schattenspendende Geäst einer Eiche.
    Hinter ihnen, am äußersten Nordrand der Felsenplattform, erhob sich der einzige Steinbau der Eresburg, eine kleine Basilika, dem Apostel Petrus geweiht. Durch die offene Tür hörten sie die Mönche ihre „Kyrie“-Rufe ausstoßen, gegen Ende des Stundengebets zur Non. Es waren nur noch vier alte Männer mit kraftlosen, dünnen Stimmen. Sechs jüngere Mönche, die hier gelebt hatten, waren geflohen.
    Thankmar und die vier Anführer seiner Gefolgschaft ließen sich wieder auf die Bänke fallen und blickten verdrossen auf das Gewirr von Holzhäusern, strohgedeckten Hütten und Zelten, das die über eine halbe Meile lange Felsenplattform bedeckte. Träge und ebenso übellaunig bewegten sich dazwischen die Männer mit Schwertern, Dolchen und Messern am Wehrgurt, die als Hundertschaft Wachdienst hatten. Alle anderen, von ihnen beneidet, waren unten im Tal auf Beutezug. Die Bewohner der Burg, Freie und Unfreie, durften ihre Behausungen und Werkstätten nur unter Aufsicht verlassen. Wer Brot backen, Pferde beschlagen, Klingen schleifen, Kleidung ausbessern und Schuhzeug anfertigen konnte, wurde beschäftigt. Die Burgbesatzung, die es gewagt hatte, kurze Zeit Widerstand zu leisten, war in Haft genommen und lag in einem tief in den Felsen gehauenen Verlies.

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