Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
nicht. Wir brauchen sie nicht – wir besorgen selber den Rest! Und wenn es wahr ist … wenn sie den Grafen Dedi umgebracht haben … so werde ich, das schwöre ich euch, Herzog Eberhard dafür zur Rechenschaft ziehen. Ich habe stärkere Verbündete als ihn … Gott selbst ist auf meiner Seite! Er hat mir diese Burg in die Hand gegeben … die größte, die mächtigste weit und breit. Und wenn Eberhard Fehde will, soll er sie haben!“
Einige grölten Zustimmung. Die meisten schwiegen finster. Der lange Iglolf trat näher und fragte, die Stimme kaum dämpfend: |133| „Wie? Ist denn Eberhard jetzt unser Feind? Wir wollen ihn doch zum König machen.“
Thankmar fuhr herum. Einen Augenblick lang starrte er Iglolf an und plötzlich lachte er wie irrsinnig auf und gab ihm einen Stoß vor die Brust.
„Zum König?“, rief er. „Einen Franken zum König? Hat das jemand ernsthaft geglaubt? Sind nicht die Zeiten der Frankenkönige längst vergangen? Modern nicht alle in ihren Gräbern? Hat nicht mein Vater vom letzten Frankenkönig die Insignien empfangen, weil nur noch ein Sachsenherzog stark genug ist, das Reich zu regieren? Sollte ich, sein ältester Sohn, das vergessen haben? Werde ich als Herzog der Sachsen versäumen, was meine Pflicht ist – als König das Ostfränkische Reich zu neuer Größe zu führen? Denkt ihr, dass ich zu zaghaft sei, zu schwächlich … dass mich Schwindel erfassen würde – auf den Stufen zum Aachener Thron?“
Der stechende Blick traf Thiadrich, der stammelte: „Aber wir ahnten doch nicht, Tammo, dass du auch König werden willst.“
„So wisst ihr es nun. Das war immer mein Ziel … weil es mein Recht ist! Ich war der Thronfolger, ehe Odda geboren war … und war es noch lange danach. Nur durch üble Machenschaften – ihr wisst, wer dahinter steckte – wurde mir alles genommen: mein Erbe, das Recht meiner hohen Geburt. Jetzt ist es Zeit, die Schulden einzuklagen. Ich werde mir alles bezahlen lassen und mich nicht mit weniger zufrieden geben, als mir zusteht … als mir vom ersten Tag meines Erdendaseins an zustand. Sobald wir gesiegt haben, Männer, werdet ihr nicht nur dem Herzog, sondern dem König Thankmar den Treueid leisten!“
„Heil König Thankmar!“, brüllte Thiadrich.
„Heil König Thankmar!“, wiederholten die drei Brüder.
„Heil König Thankmar!“, kam das spärliche Echo aus den Reihen der Gefolgschaft.
„Noch einmal!“, schrie der berauschte Sohn König Heinrichs.
„Heil König Thankmar!“, schrien jetzt alle.
Er ließ sich den Becher wieder füllen, doch bevor er ihn an den Mund setzte, blickte er um sich und bemerkte den alten Dodo und das Pergament auf dem Tisch.
„Was machst du da, Mönch?“, fragte er, wobei er fast strauchelte und sich an der Tischkante aufstützen musste. „Was schreibst du? Eine geheime Botschaft an meine Feinde?“
|134| „Aber das ist doch Euer Ehevertrag“, sagte der Alte. „Die Liste mit den Geschenken für Eure Braut.“
„Meine Braut?“
Thankmar wandte langsam den Kopf und richtete seinen von Trunkenheit flirrenden Blick auf Hille, die erschrocken den Arm ihres Vaters packte.
„Meinst du die?“, fragte er. Wieder brach er in ein Gelächter aus. „Meinst du die kleine Hure dort?“
„Ich bitte Euch, mäßigt Euch!“, rief Grimbald.
„Was fällt dir ein? Wie sprichst du mit mir? Wer bist du? Oh, jetzt weiß ich es wieder … der Klostervogt und seine Tochter. Aber das war … war doch ein Scherz … ja, ja, ein Zeitvertreib. Wie könnt ihr Schwachköpfe glauben, dass …“
Er ergriff das Blatt Pergament und warf es hoch in die Luft. Es blieb in den Zweigen, zwischen den Blättern der Eiche hängen.
„Ich werde eine Gesandtschaft nach England senden“, erklärte er dann. „König Aethelstan wird hoch erfreut sein. Er hat neun oder zehn Schwestern, sein Vater war ein regsamer König, und noch ist er nicht alle los geworden. Dem Odda schickte er gleich zwei, als der heiraten wollte … zur Auswahl. Mir wird er drei schicken! Vielleicht nehme ich sie alle …“
Er leerte seinen Becher und ließ sich auf die Bank fallen.
Der alte Mönch entfernte sich eilig. Thiadrich gab Grimbald, der noch etwas sagen wollte, heftige Zeichen, er möge schweigen und sich zurückziehen. Der Burgvogt riss seiner Tochter den Schmuck vom Hals und schleuderte ihn auf die Erde. Dann legte er den Arm um ihre Schultern, warf Thankmar einen letzten unheilschwangeren Blick zu und führte sie weg.
Thiadrich winkte die
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